Schlechte Aussichten für den Euro
Ich möchte mich nicht zu lange mit der Fortsetzung des Aufstands der „Flashmob Trader“ aufhalten. Bereits am Sonntag war klar, dass der Silber-Markt der nächste sein würde, der von der Reddit Crowd angegriffen würde. Tatsächlich konnten sich einige Kommentatoren vorstellen, dass der Preis für eine Unze Silber durch sie zumindest mittelfristig auf 100 USD hochgetrieben werden könnte. Und nicht umsonst stellte ich mir die ketzerische Frage, ob das nicht selbst eingefleischte Edelmetall-Bullen dazu verleiten würde, ihre langfristig und vielerorts über Jahre hinweg sorgsam angehäuften Bestände bei einem solchen Marktpreis loszuschlagen. Vielleicht auch schon vor Erreichen des runden 100-USD-Niveaus.
Geld geht vor Moral
Indes: Viele Akteure haben sich natürlich Silber und vor allem Gold für den allergrößten Notfall zur Seite gelegt. Für den Fall, wenn alles zusammenbricht. Aber wann ist dieser Fall gegeben? Mir wird eines immer klarer – in meinem Blog zum Sonntag (HIER) habe ich es vielleicht nicht deutlich genug herausgearbeitet: Was als Kampf der Anleger-Communities gegen die Hedgefonds mit möglicherweise hehren Motiven begann, dürfte sich schon bald als Schneeballsystem entpuppen. Bei diesem gewinnen nur die ersten, die Initiatoren, richtig gut. Aber spätestens, wenn die mancherorts zumindest als Buchgewinne angehäuften Reichtümer (bei einigen Protagonisten geht es dem Vernehmen nach mittlerweile um die Größenordnung eines Eigenheims und mehr) durch Gewinnmitnahmen anderer Akteure dahinschmelzen, dürfte der eigene Elan beim bildlichen Sturm auf die Bastille erschlaffen. Im Gegensatz zu den Revolutionären von 1789 merkt es heutzutage niemand, wenn man sich aus der anonymen Reddit Crowd klammheimlich auf Französisch verabschiedet.
Ein kleingeredetes US-Rettungspaket
In all den leidenschaftlichen Diskussionen, die auch gestern zum besagten Thema geführt wurden, hat bei den Finanzmarktakteuren möglicherweise eine andere Geschichte zu wenig Beachtung gefunden. Es geht um das Stimulus-Programm von US-Präsident Joe Biden, das nach dessen Wunsch einen Umfang von 1,9 Billionen USD umfassen soll. Nun hat eine Gruppe von 10 republikanischen Senatoren ihr eigenes Konjunkturpaket formuliert, zu dem sie bereit wären, mit Joe Biden zusammenzuarbeiten. Denn mit einer Mehrheit von 60 Stimmen (50 Demokraten und 10 Republikaner) könnte ein nervenaufreibendes Filibustering umgangen und ein Paket zügig durch den Senat gebracht werden. Allerdings ist der Vorschlag der kompromissbereiten Republikaner geradezu bescheiden: Der Plan sieht gerade einmal ein Volumen von 618 Mrd. USD vor. Vielleicht war das auch ein Grund, warum der US-Dollar gestern gut nachgefragt war. Abgesehen von positiven Wirtschaftsdaten.
Techniker sind am Zug
Vielleicht geht es aber auch nur um den Versuch, ein vielerorts sichtbares Chartbild zu komplettieren, das etwa für den Euro gegenüber dem Dollar als Head & Shoulders Formation gedeutet wird. Eine Formation, die spätestens mit einem Schlusskurs unterhalb von 1,2050, verbunden mit einem laut technischen Analysten allerdings bescheidenen Kursziel von 1,1750, vollendet wäre. Dass ich von solchen Formationen nicht viel halte, habe ich bereits HIER und früher HIER zum Ausdruck gebracht. Denn diese vielerorts leicht verfügbare Information könnte sich schnell ins Gegenteil verkehren, wenn sich große, schwere Marktteilnehmer in der Hoffnung auf Liquidität der technisch orientierten Trader klammheimlich unterhalb von 1,2050 auf die Kaufseite stellen würden. Mit dem Resultat, dass statt einer starken Abwärtsbewegung eine Fehlentwicklung in die andere Richtung entstehen würde.
Was jedoch für einen schwächeren Euro spricht, ist der Umstand, dass das Gros der Akteure bereits im Euro investiert, sprich: long ist. Als Indiz werte ich hierfür, dass sich die beachtliche Höhe der spekulativen Euro-Long-Positionen in Chicago per vergangenem Dienstag (vergleiche CFTC-Meldung vom Freitag) nicht verringert hat. Mit anderen Worten: Die bereits seit Tagen laufende Euro-Korrektur im mittelfristigen Aufwärtstrend hat das Zeug, sich unterhalb von 1,2000/05 fortzusetzen; diese ungünstige Situation für den Euro würde sich nach wie vor erst nach Überschreiten von 1,2235 stabilisieren.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.