Dollar am Morgen

Hingefallen

am
3. Februar 2021

Nein, mit der heutigen Überschrift möchte ich nicht auf das Schicksal der „Flashmob Trader“ hinweisen, die gestern womöglich viel Geld verloren haben. Auch nicht auf die geplatzten Hoffnungen, nachdem der Silberpreis zunächst wieder auf den Boden der Normalität zurückgekehrt ist Vielmehr geht es mir um den Euro, der gestern auf das niedrigste Niveau seit dem 1. Dezember vergangenen Jahres gefallen ist.

 

Immer noch eine Dollar-Story

Natürlich möchte ich dabei betonen, dass es sich eher um eine Dollarstärke als um eine Euroschwäche handelt. Und wenn man schon ökonomischen Daten vertrauen möchte, hätte man durchaus aufgrund der gestern veröffentlichten, vorläufigen Wachstumszahlen für das vierte Quartal 2020 in der Eurozone mit einem stabileren Euro rechnen können. Denn die Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts von 0,7 Prozent ist nicht ganz so stark ausgefallen, wie dies die Ökonomen im Mittel (-0,9 Prozent) prognostiziert hatten.

Aber wer interessiert sich schon dieser Tage für ökonomische Daten? Gerade aus psychologischer Sicht kann man doch verstehen, dass die Menschen nicht zurück, sondern vorwärts in Richtung einer besseren Zukunft blicken möchten. Ökonomisch droht allerdings angesichts der vielfältigen Lockdown-Protokolle in der Eurozone im Januar (und wahrscheinlich auch noch länger) auch das erste Quartal dieses Jahres zu schrumpfen, weswegen dann eine erneute technische Rezession (zwei negative Quartale hintereinander) angezeigt wäre.

 

Konjunkturpaket mit unterschiedlicher Wirkung?

Ich hatte gestern schon über die Gründe gesprochen, die dem US-Dollar Auftrieb geben könnten. Sicherlich war dies nicht einer neu aufgekommenen Risikoaversion – dies höre ich bei einem steigenden Greenback nur allzu oft – geschuldet. Denn die Aktienmärkte hatten gestern ordentlich performt. Vielleicht ist den Akteuren zumindest am Devisenmarkt klar geworden, dass die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern in den USA hinsichtlich des Stimulus-Programms zu groß sein dürfte, um zu einem schnellen Kompromiss zu finden.

Denn nach einem Vorschlag von 10 republikanischen Senatoren sieht das von ihnen vorgeschlagene Rettungspaket nur Hilfen in einem Volumen von 618 Mrd. vor, während US-Präsident Joe Biden 1,9 Billionen USD in Aussicht stellt. Allerdings scheint auch diese Geschichte nicht recht ins Bild zu passen. Denn die Aktienhändler scheinen selbst für den Fall, dass es nur zu einem abgespeckten und verzögerten Konjunkturpaket kommen sollte, mit irgendeiner Art von Stimulus zu rechnen. Ein Stimulus, der den Devisenhändlern bislang allerdings nicht reicht, um den Dollar richtig unter Druck zu setzen.

 

Ein (vorschnelles) Verkaufssignal für den Euro

Ich vermute vielmehr, dass die Blicke der Devisenhändler in Richtung der technisch orientierten Analysten gegangen sind, die für den US-Dollar bzw. den Euro die Komplettierung einer Umkehrformation angekündigt hatten. Diese ist gestern als sogenannte Head & Shoulders Formation wohl für den Euro vollendet worden. Gut möglich, dass es zu einer Art Self-fulfilling-Prophecy für die Euro-Bären gekommen ist, die sich mancherorts auf dieses Signal nachgerade gestürzt haben.

 

Ich selbst bin allerdings erst nach Unterschreiten von 1,1990/95 bereit, den mittelfristigen Aufwärtstrend des Euro in Frage zu stellen. Dies ändert nichts daran, dass sich die Gemeinschaftswährung ohnehin auf einem korrektiven Abwärtspfad befindet. Letzterer wäre allerdings nunmehr bereits nach Überschreiten von 1,2150 beendet – genauso wie das vorgenannte Signal der technischen Analysten, das dann als sogenannter Downside-False-Break, also als Fehlsignal, klassifiziert werden müsste.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE
In eigener Sache

3. August 2021

Pause!

16. Juli 2021

Von Rekord zu Rekord

15. Juli 2021

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv