Ist die Wette wirklich schon gewonnen?
EUR USD (1,1820) Als man gestern bei der Nachrichtenagentur Reuters nachlesen konnte, dass ein Buchmacher in Australien umgerechnet bereits 16,5 Mio. USD an Wettende ausgezahlt hatte, die auf einen Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl gesetzt hatten, hörte ich, wie einige staunend anmerkten: „Wenn die jetzt schon Geld auszahlen, müssen die sich ihrer Sache ganz schön sicher sein.“
Ich muss zugeben, dass ich in einer ersten, vorschnellen Reaktion ähnlich dachte. Aber bei genauerem Nachdenken fiel mir dann natürlich ein, dass man sich auch beim Fußball Wetten vor dem Abpfiff auszahlen lassen kann. Der Betrag des australischen Buchmachers hört sich natürlich zunächst einmal eindrucksvoll an, aber trotzdem beruhte er auf der mathematischen Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Biden.
Aktienmärkte im Kaufrausch
Von den Finanzmärkten lässt sich von gestern nichts Vergleichbares berichten, kam es doch insbesondere für die Teilnehmer an den Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks wahrscheinlich nur gelegentlich zu vorzeitigen Gewinn-Auszahlungen – für das Gros der Akteure gab es indes kein Halten. Und auch der US-Dollar musste im Zeichen der Risikofreude nicht nur gegenüber dem Euro, sondern auch im Vergleich zu einem Korb an Währungen, gemessen am Dollar-Index, deutliche Einbußen hinnehmen.
Offensichtlich ist es für viele Akteure in Ordnung, wenn es wahrscheinlich einen US-Präsident namens Joe Biden – das ist bis jetzt noch keineswegs sicher – geben wird, begleitet von einer wahrscheinlich bremsenden republikanischen Mehrheit im Senat und einem nach wie vor von Demokraten beherrschten Repräsentantenhaus. Kurzum: Wenn sich tatsächlich diese Mehrheitsverhältnisse in den USA ergeben sollten, dürfte der Modus für die großen Vorhaben der nächsten beiden Jahre bis zu den sogenannten Mid-Term-Wahlen „Stillstand“ heißen. Und sollte es tatsächlich ein Stimulus-Programm geben, werden die Begünstigten am Ende froh sein, wenn dessen Umfang 750 Mrd. bis 1 Billion USD betragen wird.
Den Blick auf die Notenbanken gerichtet
Aber den Akteuren dürfte dies gestern ohnehin egal gewesen sein, denn man hoffte, dass die US-Notenbank angesichts immer noch steigender Covid-19-Infektionszahlen mit weiteren quantitativen Lockerungsmaßnahmen aufwarten oder diese zumindest ankündigen würde. Einen Schritt in diese Richtung hat bereits die Bank of England bei ihrer gestrigen Sitzung vollzogen, die zwar trotz der von ihr besonders hervorgehobenen Abwärtsrisiken für das Bruttoinlandsprodukt nicht die Türe in Richtung Negativzinsen aufstoßen wollte. Aber das bestehende quantitative Lockerungsprogramm wird um 150 Mrd. Pfund aufgestockt, also um einen höheren Betrag, als dies von den Analysten im Schnitt erwartet (100 Mrd. Pfund) worden war.
Die US-Notenbank hielt sich mit derartigen Schritten bei ihrer gestrigen Sitzung indes zurück. So ließ der Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) erwartungsgemäß sowohl die Zinsen als auch das Anleihekaufprogramm unverändert. Auch das FOMC-Statement wich praktisch kaum von dem der September-Sitzung ab.
Bereits im Vorfeld der Fed-Sitzung gab der Greenback wohl auch in Hoffnung auf geldpolitische Maßnahmen deutlich nach und führte den Euro endlich über seinen Stabilisierungspunkt (1,1775/80) hinweg. Gleichzeitig können wir nun eine Konsolidierungszone für die Gemeinschaftswährung zwischen 1,1600/05 und 1,1870/75 ausmachen, innerhalb derer der Euro stabil bleibt, solange er sich oberhalb von 1,1730/35 bewegt.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.