Dollar am Morgen

Plädoyer für den Dollar

am
27. Januar 2021

Auch gestern präsentierte sich der Dollar-Handel in recht unaufgeregter Verfassung, als ob in den kommenden Wochen nichts Dramatisches passieren sollte. Der Euro produzierte gegenüber den Greenback gerade einmal eine Handelsspanne von rund 70 Stellen und wartete mit einem kleinen Tagesgewinn auf. Vielleicht ist auch die heute zu Ende gehende Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) dafür verantwortlich, dass der Wechselkurs keinen größeren Ausschlag in die eine oder andere Richtung produziert hat. Indes: Es hat nicht den Anschein, als ob das FOMC seine Strategie ändern würde. Zumal auch nur ein unbedachtes Wort der Offiziellen in Richtung Tapering, ein schrittweises Zurückfahren der Anleihekäufe, für Unruhe an den Aktienmärkten sorgen könnte.

 

Warten auf den Euro-Anstieg

Was die Ausgangsposition des Euro angeht, ist die grundlegende Einstellung der Akteure deutlich. Das Gros geht davon aus, dass sich der Dollar am Ende weiter abschwächen wird, zumal Janet Yellen in den USA gestern als erste US-Finanzministerin vereidigt wurde. Allerdings hat sich der US-Dollar seit der Stichwahl in Georgia, die bekanntlich zugunsten der Demokraten ausging, nicht mehr weiter abgeschwächt. Im Gegenteil, der Greenback hat seither deutlich korrigiert und hat den Euro wenn auch nicht dramatisch, aber dennoch sichtbar unter Druck gesetzt. Dennoch spricht einiges dafür, dass sich die Euro Long-Positionen der Akteure in dieser Phase erhöht haben. Ein kleines Indiz stellt die Entwicklung der spekulativen Euro-Long Positionen an der Chicagoer Terminbörse dar, die sich laut CFTC-Meldung bis zum vorvergangenen Dienstag um rund 14 Prozent erhöht hatten.

 

… und ein technisches Argument dagegen

Auch wenn ich von Chartbildern als Prognoseinstrument nicht viel halte, vor allem, weil sie als leicht verfügbare Information mittlerweile für jedermann erhältlich sind und so mehr schlecht als recht funktionieren (vgl. mehr dazu HIER), dürften einige technische Analysten eine fast komplette Euro-Formation entdeckt haben. Gemeint ist eine sogenannte Head & Shoulders Umkehrformation, die den vorherrschenden mittelfristigen Aufwärtstrend der Gemeinschaftswährung nach gängiger Lesart mit einem Unterschreiten von 1,2045 beenden würde. Vielleicht klappt es mit dieser Formation ja dieses Mal. Zumal eine EUR/USD-Abwertung vielen Akteuren nicht in den Kram passen würde. Und fundamental schon gar nicht, weil man mit dem Regierungswechsel in den USA davon ausgeht, dass unter demokratischer Ägide ordentlich Geld gedruckt und Inflation produziert, weitere Dollarschwäche damit programmiert wäre.

 

Was nun für den Dollar spricht

Abgesehen davon, dass bereits das derzeitige große Konjunkturprogramm im Umfang von 1,9 Billionen USD in dieser Größenordnung nicht – und schon gar nicht schnell – den Kongress passieren dürfte, gibt es allerdings auch noch einen anderen politischen Aspekt, der nun für den Dollar spricht. Unter US-Präsident Donald Trump hatten die USA in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, sie seien unter Umständen bereit, unliebsamen Staaten den Zugang zum US-Finanzsystem und damit zu ihren Dollar-Konten zu versperren – ein derartiges Szenario hatte ich in den vergangenen Jahren immer wieder, insbesondere HIER und HIER, skizziert. Mit der Folge, dass es deswegen zu Umschichtungen aus dem Dollar in Richtung Euro gekommen sein könnte. Mit der Präsidentschaft Joe Bidens könnten sich derartige Kapitalströme jedoch in der Zukunft als obsolet erweisen; ein Kaufargument für den Dollar also. Wie auch immer: Der Euro bleibt in seinem schwachen Aufwärtstrend innerhalb einer korrektiven Entwicklung gefangen. Und dieser Zustand dürfte immer noch frühestens nach Überschreiten von 1,2235 beendet werden.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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