Dollar am Morgen

Goldene Zeiten wie vor 100 Jahren?

am
12. November 2020

EUR USD (1,1775)             Ich kann mich noch gut an die Umfrage der Bank of America vom 13. Oktober erinnern, bei der die internationalen Fondsmanager gefragt wurden, welche Extremrisiken sie am bedrohlichsten für die Finanzmärkte betrachteten. Am häufigsten wurde die Covid-19-Entwicklung genannt, gefolgt vom Ausgang der US-Wahlen. Deren Ergebnis bietet nun tatsächlich Grund zur Sorge. Zumindest rechneten für den Fall, dass die Wahlen angefochten werden sollten, seinerzeit fast drei Viertel der Befragten mit steigenden Volatilitäten für die Finanzmärkte.

Das Gegenteil ist passiert, die impliziten Volatilitäten für die Aktienmärkte sind bereits vor dem Wahltag deutlich gesunken. Obwohl der Übergang der Regierung Trump auf Biden alles andere als glatt verläuft. Tatsächlich gibt es sogar Stimmen, die nicht ausschließen möchten, dass der scheidende US-Präsident Donald Trump noch ein Ass im Ärmel haben könnte, um sich – auf welche Weise auch immer – die Tür für eine zweite Amtszeit zu öffnen.

 

Wer ist am meisten bullish?

Das am stärksten wahrgenommene Extremrisiko, die Covid-19-Krise, dürfte indes spätestens seit Beginn dieser Woche nicht nur für Fondsmanager an Bedrohlichkeit eingebüßt haben. Denn die Hoffnung auf einen Covid-19-Impfstoff hat deutlich Nahrung erhalten. Und plötzlich kennen die Akteure an den Aktienmärkten dies- und jenseits des Atlantiks nur noch eine Richtung: stark nach oben. Sobald kurzfristige Übertreibungen abgearbeitet seien, war zu hören. Gleichzeitig würden aufgrund der gesunkenen impliziten Volatilitäten die Aktienpositionen nach den gängigen Risikomodellen sogar auch noch deutlich erhöht werden können. Und vielerorts werden auch die Prognosen für die Aktienmärkte mit einem Male für das kommende Jahr deutlich heraufgesetzt.

 

Goldene Ära im Blick

So gesehen ist das Ergebnis der gestrigen Sentiment-Erhebung der Börse Frankfurt unter institutionellen Anlegern fast noch als moderat zu bezeichnen. Denn der Optimismus (vgl. meinen Kommentar HIER) ist gegenüber der Vorwoche nur unmerklich gestiegen. Natürlich aus einer bereits bullishen Orientierung heraus, aber eben nicht so überbordend, dass man von Euphorie sprechen könnte. Ganz im Gegensatz zu den Kommentatoren und Analysten, die offenbar alle Risiken für die Finanzmärkte ausblenden. Wenn von Paradigmenwechsel und goldenen Zeiten wie in den 1920er Jahren die Rede ist, sollte man allerdings hellhörig werden.

 

In Argumentationsnöten

Die Einzigen, die mit der derzeitigen Entwicklung an den Finanzmärkten nicht zurechtzukommen scheinen, sind die Devisenhändler. Denn dass der Dollar trotz der weltweiten Risikofreude nicht erwartungsgemäß fallen will, wird als störend empfunden. Und so versuchen sich Analysten mancherorts mit dem Argument zu retten, dass sich die US-Ökonomie besser als diejenige der Eurozone entwickeln werde, wenn die derzeitige Covid-19-Welle mittels des neuen Impfstoffs erst einmal gebremst sei.

Tatsächlich befindet sich der Euro gegenüber dem US-Dollar bereits seit einigen Tagen in einer Seitwärtsbewegung, nachdem es am vergangenen Freitag und Montag noch den Ausbruchsversuch an der Oberseite einer Konsolidierungszone (1,1600/1,1875) gegeben hatte. Und dieser Versuch (den ich HIER kommentiert habe) hat sich mittlerweile so gut wie sicher als Fehlentwicklung herausgestellt. Diese würde nach Unterlaufen von 1,1735 (gestern fast getestet) bestätigt und den Euro in der Folge in eine ungünstige Position drücken.

 

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE
In eigener Sache

3. August 2021

Pause!

16. Juli 2021

Von Rekord zu Rekord

15. Juli 2021

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv