Die Ohnmacht verwalten
EUR USD (1,1675) Nun kann man über den Ausgang der gestrigen EZB-Ratssitzung durchaus geteilter Meinung sein. Eine Sitzung, bei der wie vielerorts erwartet, nichts Wichtiges entschieden wurde. Aber es wurde festgestellt und versprochen. Festgestellt hat Christine Lagarde, dass die Erholung in der Eurozone schneller als gedacht ihr Momentum verloren habe. Und versprochen hat die EZB- Präsidentin, dass bei der Dezember-Sitzung geldpolitisch nachgelegt würde. Ökonomen prognostizierten bereits vor der gestrigen Sitzung, dass die EZB in der letzten Zusammenkunft des Jahres ihr pandemisches Notfallprogramm PEPP von derzeit unverändert 1,35 Billionen Euro um weitere 500 Mrd. aufstocken würde. Dies ist insofern bemerkenswert, als der PEPP-Topf derzeit nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft ist.
Ohne fiskalpolitische Hilfe machtlos?
Während die Aktienmärkte der Eurozone das Versprechen Christine Lagardes offensichtlich goutierten, weil sie nicht weiter einbrachen bzw. eine Pause im Abverkauf der laufenden Woche einlegten, gab der Euro gegenüber dem US-Dollar erneut deutlich nach. Was auf der einen Seite als Hoffnung auf Mehr wahrgenommen wurde, wurde auf der anderen Seite von einem Kommentator sogar als Eingeständnis bewertet, dass Christine Lagarde geldpolitisch nicht mehr weiter wüsste. Und ihre vornehmliche Aufgabe bestehe wohl darin, Kontrollverlust und Ohnmacht der EZB zu verwalten. Drastische Worte, dennoch lässt sich nicht leugnen, dass darin auch ein Körnchen Wahrheit steckt. Wie in den USA kann die Zentralbank ohne die Hilfe der Fiskalpolitik nicht erfolgreich sein. Diese Hilfe ist hierzulande zwar vorhanden, aber sie wird teilweise nur schleppend in Anspruch genommen.
Zweifel an der Feuerkraft der Fed
Auch in den USA scheint sich mehr und mehr die Meinung durchzusetzen, dass die dortige Notenbank nicht über genügend geldpolitische Instrumente verfügt. Natürlich beteuert Fed-Chef Jerome Powell immer wieder, dass der Notenbank die Munition nicht ausgehen werde. Das muss er auch. Aber nun meldete sich am Mittwoch der ehemalige Chef der Fed von York, William Dudley, in einem Bloomberg-Beitrag: Die Fed würde ihre Feuerkraft verlieren und das Land [USA] könne nur durch [weitere] Ausgabenprogramme der Regierung gerettet werden. Weil aber derzeit ein durchschlagkräftiges Stimulus-Programm wegen der bevorstehenden US-Wahlen auf Eis liegt, sind die Börsianer ins Grübeln gekommen. Denn es gilt keineswegs als ausgemacht, dass es zu einem Durchmarsch der Demokraten kommen wird. Insbesondere der Senat könnte in republikanischer Hand bleiben, und damit würde nach derzeitiger Lesart ein massives Konjunkturprogramm in Höhe von 2 Billionen Dollar wohl kaum Chancen auf Verabschiedung haben.
„Relativ“ gute US-Daten
So gesehen waren die US-Wirtschaftsdaten, die gestern zur Publizierung anstanden, kaum von Interesse. Zwar stieg das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal in einer ersten Schätzung um annualisiert 33,1 Prozent und damit so stark wie noch nie an, was zumindest die Ökonomen im Mittel leicht auf der positiven Seite überraschte. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass das BIP im Quartal zuvor so stark wie noch nie gefallen war.
Darüber hinaus sind auch die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe zum Ende der vergangenen Woche auf 751 Tsd. zurückgegangen, und auch die fortgesetzten Anträge haben sich in der Woche zum 17. Oktober auf 7,76 Mio. verringert. Damit sind die Zahlen zwar immer noch bedrückend, aber übertrafen zumindest die Medianprognose der Ökonomen. Fast könnte man mit einer gewissen Kaltschnäuzigkeit die Meinung vertreten – der ökonomische Chefberater Donald Trumps, Larry Kudlow hat sich gestern bereits entsprechend geäußert –, es bedürfe keines weiteren Stimulus-Programms, damit sich die US-Wirtschaft vollständig erholt.
Der Euro hat gestern weiter an Boden verloren und ist wieder in seine frühere Seitwärtsentwicklung zurückgefallen. Dabei bleibt die Gemeinschaftswährung weiterhin in angeschlagenem Zustand – zumindest, solange 1,1795 nicht überwunden werden kann.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.