Dollar am Morgen

Devisenhändler ziehen nicht mit

am
13. Oktober 2020

EUR USD (1,1795)             Für die Teilnehmer an den Aktienmärkten scheint der Fall jetzt klar zu sein: Kaufen ist alternativlos. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um das Stimulus-Paket für die US-Wirtschaft, über das es übrigens immer noch keine Einigung gibt. Vielmehr setzen viele Akteure auf einen Erdrutschsieg der Demokraten am 3. November. Und je deutlicher dieser ausfällt, desto geringer wird das Risiko gesehen, dass das Wahlergebnis von den Republikanern angefochten werden und möglicherweise eine wochenlange Unsicherheit über den Wahlsieger herrschen könnte. Und obwohl US-Präsident Donald Trump seit Ende vergangener Woche und innerhalb weniger Tage nun zu den glühendsten Befürwortern des Geldausgebens zählt, ist nicht klar, ob die republikanischen Senatoren genauso großzügig denken. Zumindest zurzeit gibt es noch keine Mehrheit für ein spendables Stimulus-Programm.

 

Keine Angst vor Stimulus-Kater

Tatsächlich scheint sich unter Analysten mittlerweile herumgesprochen zu haben, dass das Geldausgeben den Demokraten leichter von der Hand geht und mit ihnen ein größeres Konjunkturprogramm als mit den Republikanern möglich sein wird. Etwaige Sorgen, dass ein Präsident Joe Biden auf der anderen Seite für höhere Steuern, mehr Regulierung und nicht gerade für ein unternehmerfreundliches Geschäftsumfeld stehen könnte, würden ohnehin erst viel später, Monate nach den Wahlen, greifen, heißt es. Zunächst geht es um ein saftiges Stimulus-Programm nach einem Wahlsieg für die Demokraten, und die Hoffnung darauf beflügelt zurzeit die Aktienkurse.

 

Erinnerungen an Zwillingsdefizit werden wach

Und so liegt es nicht fern, dass man vielerorts auch in den Devisenhandelsbüros davon ausgeht, dass ein deutlicher Wahlsieg der Demokraten die Gelddruckmaschinen staatlicherseits in den USA noch einmal laufen lässt. Geld, das in der Wirtschaft ankommt. Das damit einhergehende erhöhte Staatsdefizit wird gleichzeitig als Dollar-negativ gesehen. Ganz zu schweigen davon, dass die Inflation in den USA tatsächlich auch noch irgendwann anspringen könnte – die Notenbank würde ein Überschießen über das 2-Prozent-Ziel ohnehin zumindest anfangs tolerieren – und so die Realzinsen noch mehr unter Druck gerieten. Auf das ohnehin schon hohe Handelsbilanzdefizit wollen wir gar nicht erst eingehen. Ich kann mich übrigens noch an Zeiten erinnern, als das berühmte Zwillingsdefizit (steigende Staatsverschuldung bei gleichzeitig extrem negativer Handelsbilanz) für einen anhaltend schwachen Dollar und dessen kaum mehr zu kontrollierenden Abwärtstrend sorgte[1].

 

Natürlich gibt es dazu auch noch eine andere Seite. Vor allen Dingen, falls sich der Vorsprung in den Umfragen für die Demokraten und Joe Biden verringern sollte. Dann wäre die Risikoaversion recht schnell wieder da. Zumindest gestern wollten die Devisenhändler erstaunlicherweise im Gegensatz zu den Aktienmarktteilnehmern dem Greenback jedenfalls (noch) keine sichtbare Abfuhr erteilen. Auf der anderen Seite ist damit der Euro auch nicht weiter vorangekommen, bleibt aber in seiner stabilen Position, solange er sich nun oberhalb von 1,1745/50 (deutlich höher) bewegt. Mehr trendbegründende Aufwärtsdynamik ist ohnehin erst oberhalb von 1,1860 zu erwarten.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

[1] Die Rede ist von der Dollar-Abwertung in den Jahren 1986 bis Anfang 1988.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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