Dollar am Sonntag Märkte

Eine Frage der Perspektive

am
11. Oktober 2020

EUR USD (1,1825)             Viele Marktteilnehmer mögen sich während der vergangenen Handelswoche gefragt haben, wie es denn sein kann, dass sowohl der DAX als auch der EURO STOXX 50 am Ende dieses Zeitraums mit einem Gewinn von rund 2,9 bzw. 2,6 Prozent aufwarteten. Darüber hinaus wurde außerdem jeder einzelne Handelstag aus der vergangenen Woche mit einem Plus beendet. Wo doch in Europa die Covid-19-Krise sich verschärft und das mit teils dramatisch steigender Tendenz. Steigende Aktienkurse trotz des Risikos einer sich erneut abschwächenden Wirtschaft?

 

Warum Corona-Nachrichten nicht negativ auf Aktien wirkten

Auch aus Sicht der Behavioral Finance hätten die Aktienkurse auf den ersten Blick eigentlich nicht steigen dürfen. Denn die steigenden Infektionszahlen bei der Corona-Pandemie und die dazu gehörenden Einschränkungsmaßnahmen sind örtlich immer näher gerückt. Und glaubt man den Erkenntnissen des Verfügbarkeitsirrtums, werden orts- und zeitnahe, farbige Nachrichten deutlich stärker wahrgenommen als andere Informationen.

Nun ist es nicht so, dass die Erkenntnisse des Verfügbarkeitsirrtums plötzlich ihre Gültigkeit verloren hätten. Denn etwa aus US-Sicht wirken die Nachrichten zur Entwicklung der Corona-Infektionszahlen in Europa nur aus der Ferne. Kurzum: Sie werden unterbewertet. Aus US-Sicht sind die Nachrichten aus dem eigenen Land, insbesondere diejenigen über den Präsidenten Donald Trump, zumindest in der Wahrnehmung der dort befindlichen Investoren, vielfach auch unbewusst, einfach wichtiger. Und sei es auch nur die Hoffnung, dass es nun doch noch zu einem Konjunkturpaket vor den Wahlen kommen wird. Denn sobald diese Hoffnung auflebt, wächst auch die Angst der Investoren, die nächste Rallye zu verpassen.

 

Wechselbad für Investoren

Um die Entwicklung von DAX und EURO STOXX 50 zu verstehen, sollte man auch auf den Wechselkurs des Euro blicken, der sich gegenüber dem Dollar zwar nicht markant, aber doch mit einem Wochengewinn von rund 0,9 Prozent ins Wochenende verabschiedet hat. Gut möglich, dass hinter dieser Bewegung wie schon so oft in den vergangenen Monaten Kapitalströme aus den USA in Richtung Eurozone stehen.

Man kann natürlich der Meinung sein, dass US-Präsident Donald Trump angesichts sinkender Umfragewerte zu den Aussichten auf seine Wiederwahl in der vergangenen Woche – bildlich gesprochen – wie ein Westernheld mehrfach aus der Hüfte geschossen hat. Denn innerhalb von drei Tagen hat sich Trump vom Verhinderer eines Stimulus-Pakets zu dessen wohl glühendstem Befürworter im Weißen Haus und bei den Republikanern aufgeschwungen. Von einem noch überschaubaren „Stand Alone Bill“-Gesetzentwurf bis zum Wunsch, einen Deal in Höhe von 1,8 Billionen USD als Kompromiss zwischen den streitenden Republikanern und Demokraten zu sehen, hat Trump seinen Einsatz drastisch erhöht. Aber damit nicht genug: Am Freitag erklärte Trump, er wolle ein Konjunkturpaket sehen, das sogar jenseits der derzeitigen Gebote beider Parteien liegen soll. Also eine Steigerung von Null auf 100+. Oder anders ausgedrückt: Die Marktteilnehmer wurden einem massiven Wechselbad, einem deutlichen Kontrast, ausgesetzt: Von eiskalt blitzartig auf sehr warm, von negativ auf positiv.

 

Gegenwind für Mnuchin und Pelosi

Nun waren Finanzminister Steven Mnuchin und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die während der Woche trotz der verschiedenen Ankündigungen des Präsidenten abseits der Öffentlichkeit weiterverhandelt haben, auch am Wochenende nicht untätig. Allerdings ohne sich auf einen Kompromiss zu einigen. Aber würde der Kongress überhaupt so kurz vor dem Wahltermin noch ein Super-Konjunkturpaket verabschieden können bzw. wollen, das wahrscheinlich Donald Trumps Chancen auf eine Wiederwahl deutlich verbessern könnte? Ganz zu schweigen davon, dass ein solches Paket dem Mehrheitsführer im Senat, dem Republikaner Mitch McConnell, sowie einigen anderen Senatoren aufgrund der damit einhergehenden Neuverschuldung im Magen liegen würde. Zumal man nicht vergessen darf, dass Mitch McConnell auch noch vor der Wahl die vorgeschlagene Richterin für den Supreme Court, Amy Coney Barrett, vom Senat bestätigen lassen muss.

 

Für den Euro bleibt die Ausgangsposition jedenfalls weiterhin positiv, insbesondere, solange nun 1,1695 nicht mehr unterlaufen wird. Mehr noch: Oberhalb von 1,1860 könnte ein neuer kurzfristiger Aufwärtstrend beginnen.

 

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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