Dollar am Morgen

Warten auf die hoffnungsvolle Morgenröte

am
26. November 2020

EUR USD (1,1925)             Der gestrige Handelstag gehörte wohl eher zu den ruhigen Tagen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der Dow-Jones-Index vorgestern zum ersten Mal in seiner Geschichte die 30.000er-Linie übersprang. Ein Innehalten also? Nein, ich habe runden Zahlen noch nie eine große Bedeutung beigemessen, abgesehen von ihrer Signalwirkung für die Medien. Aber wenn es bis Montag keine wesentlichen Kursrückgänge an den globalen Aktienmärkten gibt, hat der diesjährige November mit einem Plus von rund 13 Prozent das Zeug dazu, der beste Monat seit über 20 Jahren zu werden.

 

Gegenwart pfui, Zukunft hui

Tatsächlich hat es aber den Anschein, als ob viele Börsianer auf den vergleichsweise hohen Kursniveaus (vor allen Dingen in den USA) nicht mehr so recht zugreifen, sprich: kaufen wollen. Wartet man womöglich gemeinschaftlich ab, bis neue Investoren vorbeikommen und die Aktienmärkte noch weiter nach oben treiben? Fast hat es den Anschein. Aber die großen Rücksetzer sind eben auch ausgeblieben, um auf günstigerem Niveau einzusteigen.

Die gestrige Stimmungserhebung der Börse Frankfurt (vgl. meinen Kommentar dazu HIER) zeigt, dass zuletzt vor allen Dingen viele Privatanleger die Hoffnung auf einen Rücksetzer beim hiesigen DAX mittlerweile aufgegeben haben. Denn immer wieder war während der vergangenen Tage zu vernehmen, dass die ungünstige Entwicklung an der Covid-19-Front, insbesondere in den USA, eigentlich zu Bedenken Anlass geben müsste – aber eben nur in der Gegenwart. Nächstes Jahr, so die Überzeugung, wird alles besser, so die gängige Lesart.

 

Der doppelte Put

Aber nicht nur weil die Börsianer vornehmlich die Zukunft handeln, ist Risikofreude angesagt. Denn die vergangenen drei Wochen haben vielerorts zu einem wichtigen Umdenken geführt. Zum einen, weil die neuen Impfstoffe zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie tatsächlich zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft berechtigen. Und zum anderen, weil – und das ist für die Akteure noch wichtiger – mit der Ankündigung, die frühere Fed-Präsidentin Janet Yellen solle im kommenden Jahr das Finanzministerium übernehmen, quasi eine zweite Versicherung gegen ökonomische Enttäuschungen abgeschlossen wurde. Neben dem geldpolitischen Powell-Put gibt es in der Wahrnehmung der Akteure nun auch noch einen fiskalpolitischen Yellen-Put. Eine Option, die allerdings nur dann besonders kraftvoll ausfällt, wenn die Demokraten im Senat nach den Stichwahlen in Georgia die Oberhand gewinnen sollten.

 

Wichtige Wirtschaftsdaten ohne Folgen

So gesehen waren die gestern zuhauf publizierten, in normalen Zeiten durchaus wichtigen ökonomischen Daten aus den USA weitgehend uninteressant, weil sie die Vergangenheit betrafen und letztlich ohnehin – natürlich mit Abweichungen von den Prognosen der Ökonomen – etwas bestätigt haben, was für die Akteure an den Finanzmärkten längst klar war: Heute sieht es mies aus, aber morgen wird es rosig. Dies gilt besonders für die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, die mit einem Zuwachs von 778 Tsd. Anträgen in der zum 20. November endenden Woche höher ausgefallen waren, als von den Auguren im Mittel erwartet worden war. Aber auch die persönlichen Einkommen sind im Oktober gegenüber dem Vormonat um 0,7 Prozent deutlich gefallen, was angesichts sinkender staatlicher Hilfen für von der Pandemie betroffenen Arbeitskräfte nicht verwundern sollte.

Immerhin: Die Entwicklung bei den Aufträgen langlebiger Wirtschaftsgüter überraschte auf der positiven Seite, blieb aber ohne größeren Einfluss auf das Kursgeschehen. Genauso wie die erste Revision des annualisierten Bruttoinlandsprodukts, die für das dritte Quartal mit einem Plus von 33,1 Prozent fast punktgenau die Medianerwartung der Ökonomen traf.

 

FOMC-Protokoll der Optionen

Bleibt noch, das gestern Abend publizierte Protokoll der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) vom 4./5. November zu erwähnen, das allerdings keine wirklich marktbewegenden Erkenntnisse mit sich brachte. Zwar werden im Fed-Protokoll verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung der Anleihekäufe (etwa zukünftige Volumina und die Zusammensetzung derselben) eingehend diskutiert, aber letztlich ist seit der Sitzung so viel geschehen, dass es den Akteuren nicht ganz leicht fallen dürfte, Schlüsse aus dem Protokoll in Kombination mit den Ereignissen der vergangenen drei Wochen zu ziehen.

Der Dollar blieb jedenfalls auch gestern leicht unter Druck, so dass der Euro marginal anziehen konnte. An dessen freundlicher Verfassung ändert sich nichts, solange nun 1,1815/20 nicht mehr unterlaufen wird.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

Wegen des US-Thanksgiving-Wochenendes erscheint der nächste Dollar-Kommentar erst am

Dienstag, den 1. Dezember.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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