Von Fröschen lernen
EUR USD (1,1775) Hieß es nicht lange Zeit hierzulande, dass es auf keinen Fall einen zweiten totalen Lockdown geben werde? Nicht zuletzt, weil man ihn sich ökonomisch nicht leisten könne? Nun scheint aber genau dieser Lockdown immer wahrscheinlicher zu werden. Auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron schließt einen solchen Schritt nicht mehr aus, und in Deutschland tastet man sich ganz vorsichtig an das eigentlich Undenkbare heran. Nach der Vorstellung einiger Ministerpräsidenten der Bundesländer könnte es aber auch ein stufenweiser Weg hinein in den vollständigen Lockdown sein.
Langsam oder sofort zum Lockdown 2.0?
Noch vor einer Woche wollte eigentlich kaum jemand über einen Lockdown 2.0 öffentlich sprechen. Dennoch diskutierte ich (HIER), dass die seinerzeit noch lokal begrenzten Aktionen an einen Flickenteppich erinnerten, der mit der Zeit immer einheitlicher werden würde. Nun haben die stark gestiegenen Covid-19-Infektionszahlen dafür gesorgt, dass alles noch viel schneller geht. Und der stufenweise Lockdown scheint auf den ersten Blick den Eindruck zu vermitteln, noch sei man Herr der Lage, ohne zum Äußersten greifen zu müssen. Als Alternative war gestern aber auch von der Möglichkeit eines sogenannten kurz angelegten „Wellenbrecher-Lockdowns“ die Rede, wie ihn etwa der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ins Spiel brachte.
Langsam zu Tode gekocht
Dabei interessiert mich weniger, welche Methode nun am Ende die erfolgreichere wäre. Aus psychologischer Sicht ist aber zumindest anzumerken, dass Menschen selbst den Widerwillen gegen eine bestimmte Situation nicht absolut, sondern in seiner Intensität relativ empfinden. Um dieses Phänomen erklären zu können, bedient man sich manchmal des grausamen Experiments mit einem Frosch zur Veranschaulichung. Würde man das arme Geschöpf in kochend heißes Wasser werfen, so würde es sofort versuchen, wieder aus dem Topf herauszuspringen. Wenn man den Frosch stattdessen in kaltes Wasser setzt und dieses langsam erhitzt, wird er in aller Ruhe hinnehmen, wie man ihn langsam zu Tode kocht. Kein schöner Gedanke.
Aussitzen oder Stopp Loss?
Übertragen auf die Covid-19-Problematik scheinen einige Ministerpräsidenten der Länder die betroffenen Menschen schrittweise, möglicherweise auch schneller, wenn es die Infektionszahlen notwendig machen, in Richtung Lockdown 2.0 zu manövrieren. Verbunden mit der zweifelhaften Chance, dass sie sich an die weitreichenden Einschränkungen langsam gewöhnen würden. Das erinnert mich an einen Händler mit einer schiefen Position, die zwar noch nicht existenzbedrohende Verluste zeitigt, aber jeden Tag ein bisschen weiter ins Minus absinkt. Während der Händler weiterhin die Hoffnung hegt, um die aufgelaufenen Verluste doch noch herumzukommen.
Ganz im Gegensatz zu Lauterbachs Idee, die auf den ersten Blick brutal erscheint, aber vergleichbar ist mit einem heftigen, aber möglicherweise Schlimmeres verhindernden Stopp-Loss. Die Erkenntnisse der Verhaltensökonomik besagen auf jeden Fall, dass Menschen vielfach eine Aversion gegen die Realisierung von Verlusten haben. Daher wahrscheinlich auch die erste intuitive Abwehrreaktion vieler Menschen gegenüber einem sofortigen Lockdown.
Risikoaversion herrscht vor
An den Aktienmärkten ging es gestern ebenfalls schrittweise nach unten, und wer den Mut hatte, nach dem bisherigen altbekannten Muster der vergangenen Monate im fallenden Markt, aus Erfahrung also, auf der Kaufseite einzusteigen, ist zumindest gestern psychisch nicht sonderlich stark unter Druck geraten – die Kursverluste hielten sich in überschaubarem Rahmen. Und der Euro blieb angesichts der auf den Finanzmärkten lastenden Risikoaversion immer noch stabil und bewegte sich fast schon provokant in einer Handelsspanne, die weniger als 50 Stellen betrug. Tatsächlich hat die Gemeinschaftswährung die Bandbreite vom vergangenen Freitag auch gestern bis zum Handelsschluss in New York nicht verlassen können. Dennoch bleibt sie zumindest in positivem Fahrwasser, solange 1,1755/60 nicht unterlaufen wird.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.