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Von der Euro-Krise zur Währungsreform – Teil 3

am
7. Dezember 2011

Wenn man über eine Währungsreform, etwa als Folge eines Staatsbankrotts oder politischen Umbruchs, nachdenken muss, orientiert man sich unweigerlich an geschichtlichen Vorbildern und versucht, die Regeln von damals auf heute wieder anzuwenden. Der große Haken an der Geschichte besteht allerdings darin, dass im Gegensatz zu 1948 oder der deutschen Wiedervereinigung Vermögen heutzutage überall in irgendeiner Form auf die Welt verteilt werden kann. So können etwa hierzulande Schulden gemacht und im Gegensatz dazu irgendwo im Ausland Sachwerte gekauft worden sein. Vermögenswerte und Schulden überhaupt vollständig zu erfassen, würde einer Herkulesaufgabe gleichkommen, die in der Praxis überdies zu noch größeren Ungerechtigkeiten führen dürfte. Weil kleine und mittlere Vermögen im Gegensatz zu den großen oft das Land nicht verlassen haben und deswegen leichter kontrollier- und steuerbar sind. Mit der Folge, dass die kleinen und mittleren Vermögen prozentual stärker belastet werden als die der Superreichen. Dabei sollte doch bei einer Währungsreform die Chance wahrgenommen werden, Ungerechtigkeiten in der Einkommens- und Vermögensverteilung, wenn nicht zu beseitigen, so doch zumindest zu verringern. Sich verschärfende Ungleichheiten, wie sie gerade erst gestern von der OECD selbst für Länder wie Schweden und Finnland, insbesondere aber auch für Deutschland und die USA festgestellt wurden[1].

In der Praxis kommen also für eine Währungsreform nur Vermögenswerte in Frage, die irgendwo festgehalten oder offiziell registriert wurden. Also auch Grund und Boden. Denn vor allem dieser kann nicht versteckt oder gar ins Ausland geschmuggelt werden. Wäre es nicht ein geradezu unerhörter Gedanke, Grund und Boden zu konfiszieren (ohne die darauf stehenden Fabriken und Gebäude) und etwa im Falle Deutschlands auf 80 Millionen Bundesbürger gerecht zu verteilen?

Eine solche Praxis war vor rund 3000 Jahren nicht unüblich. Denn in der Bibel steht geschrieben, dass alle 50 Jahre ein so genanntes Jubeljahr ausgerufen werden soll. Ein Jahr, in dem neben dem Verbot der landwirtschaftlichen Arbeit, der Freilassung aller Sklaven und einem generellen Erlass sämtlicher Schulden auch Grund und Boden an den ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben werden sollen, ohne dass der Käufer das verhindern kann (Leviticus 25, 8-10). Also eine Vorschrift, die das Recht des Grundstückkäufers (selbst wenn dieser jahrelang den Boden bewirtschaftet haben sollte) für nichtig erklärt.

Abgesehen davon, dass die Erde des Alten Testaments ohnehin Gott gehört, versucht die Vorschrift des Jubeljahres, den natürlichen Erwerbstrieb des Menschen zu begrenzen. Der nordamerikanische Sozialphilosoph und Bodenreformer Henry George (1839 – 1897)  zitiert das Jubeljahr als eine Vorschrift zur Erhaltung, aber auch zur Verteilung des Reichtums. Denn damit konnte eine Monopolisierung des Landes wie etwa in Ägypten ausgeschlossen[2] werden. Ägypten, ein Land, das durch die Konzentration von Grund und Boden auf wenige Vermögende am Ende in zwei Gruppen aufgeteilt war: in die ganz Reichen und die furchtbar Armen.  Arbeit war dort quasi mit Sklaverei gleichzusetzen.

Auch wenn Sklaverei im biblischen Sinne, also Leibeigenschaft, heute nicht mehr praktiziert wird, gibt es dennoch Niedriglohnarbeiter, deren Lebenssituation durchaus mit Sklaverei vergleichbar scheint. Denn die Löhne richten sich nur selten nach dem tatsächlichen Beitrag eines Angestellten zu den Gewinnen des Unternehmens. Selbst Firmenlenker würden zustimmen, dass jemand, der das 20-fache des durchschnittlichen Arbeitslohns in seinem Unternehmen verdient, nicht zwingend ein schlechterer Manager sein muss als derjenige, der das 40-fache des Durchschnittslohns seiner Mitarbeiter bekommt. Vielmehr spiegelt die Lage der Beschäftigten häufig eine Ungleichverteilung der Verhandlungsmacht über Löhne und mangelnde Transparenz wider. Ganz zu schweigen von den Zugangsbeschränkungen in einigen Berufen (beispielsweise Apotheker, Notare oder Taxifahrer). Um die moderne Sklaverei zu beenden, müsste das Kräfteverhältnis zwischen Unternehmen und Angestellten korrigiert werden. Zurzeit sind die Kräfte ähnlich verteilt wie bei einer Erpressung. Wer die Bedingungen nicht akzeptiert, fliegt raus oder wird gar nicht erst eingestellt. Oder das ganze Unternehmen wandert ab, ins Ausland, wo die Arbeitskräfte angeblich bereit sind, für weniger Geld noch mehr zu arbeiten. Und wo keine Gewerkschaft Sand ins Getriebe streut.

Schon vor 3000 Jahren hat man also erkannt, dass sich die Ungleichverteilung von Vermögen niemals von alleine korrigiert. Dazu bedarf es staatlicher Reformen. Eines Resets sozusagen. Dann und wann, eben alle Jubeljahre.

 



[1] Vgl. Spiegel Online vom 5.12.2011: Deutschland wird amerikanischer

[2] George, Henry: Moses, der Gesetzgeber, Berlin : Welt, 1920

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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