Risikoaversion begünstigt faule Kompromisse
Je mehr schwergewichtige Ökonomen sich in die Debatte einschalten, ob nun Spar- oder Stimulusprogramme für die Rettung der Welt besser seien, desto mehr Beobachter und Kommentatoren entscheiden sich für eine dieser beiden Sichtweisen. Die Folge: Sie konzentrieren ihre Aufmerksamkeit, auf das Für und Wider dieses einen Standpunktes, während sie alle übrigen Lösungsmöglichkeiten meist ausblenden. Anders ausgedrückt: Mit der Entscheidung für eine Sichtweise wird ein so genannter Bezugsrahmen (frame of reference) festgelegt, der nicht folgenlos bleiben dürfte. Denn sowohl Spar- als auch Konjunkturankurbelungsprogramme bergen beängstigende, möglicherweise enorme Risiken. Kurzfristig für die ökonomische Stabilität und langfristig für ein nachhaltiges globales Wachstum. Leicht möglich also, dass man die soeben getroffene Entscheidung für einen der beiden Wege am Ende doch als zu riskant betrachtet. Und so wundert es nicht, dass viele Extrempositionen – jede aus ihrer Sicht, jede von ihrem Bezugsrahmen aus – in Richtung einer weniger risikobehafteten Position korrigiert wird. Und so besteht das Optimum für Anhänger beider Parteien darin, ein bisschen von beidem zu wählen: Das, was wir als Resultat des G20-Gipfels als „wachstumsfreundlichen Defizitabbau“ präsentiert bekamen.
Bekanntlich sind die meisten Kompromisse nicht optimal, oft sind sie sogar faul. In diesem Falle könnten jedoch Sparprogramme, kombiniert mit halbherzigen Stimuli, nicht nur die Risiken beider Standpunkte in sich vereinen. Mehr noch: Die Vorteile beider Ansätze könnten in Kombination sogar zum Verschwinden gebracht werden. Und so besteht der einzige Vorteil dieses Kompromisses vermutlich darin, dass wir – zunächst noch – nachts besser schlafen können.