Wirtschaft

Windfall-Profit II: Fluch und Segen der 20 Milliarden

am
24. Juni 2010

Da hatte doch die Bundsregierung mit Ach und Krach ein 80 Mrd. Euro schweres Sparpaket geschnürt – angeblich sozial ausgewogen und nicht jedem gleichermaßen vermittelbar. Mancher Bundesbürger fragte sich ob der geringen Belastungen sogar, was er denn am Ende zum Sparpaket beitragen dürfe. Kaum ist die Geschichte unter Dach und Fach, stellt sich heraus, dass die Neuverschuldung des Staates in diesem Jahr durch unerwartete Steuereinnahmen und Minderausgaben um bis zu 20 Mrd. Euro gesenkt werden kann. Und schon kommen die einen, die angesichts des unerwarteten Segens das große Sparpaket wieder aufdröseln wollen und unter dem Gerechtigkeitsvorwand Nachbesserungen vornehmen möchten. Die anderen sagen angesichts drohender Disziplinlosigkeit radikal nein und möchten das Sparpaket nicht mehr anrühren.

Mit der zweiten Variante stünden die unerwarteten 20 Mrd. Euro jedoch als Windfall-Profit einfach so im Raum. Man könnte auch sagen, sie würden von den Politikern auf einem separaten mentalen Konto verbucht. Mit der Gefahr, dass das schöne Extrageld, mit dem man ja nicht rechnen konnte, irgendwo zum Fenster herausgeworfen wird. Extrageld? – Geld, das wir uns doch eigentlich nicht nehmen sollten, weil die Neuverschuldung auch mit der Ersparnis immer noch viel zu hoch ist.

Nun steht ja am kommenden Wochenende der G20-Gipfel in Toronto ins Haus. Dort werden die Amerikaner den Deutschen wieder einmal vorhalten, sie würden mit ihrem Sparpaket und das globale Wachstum gefährden. Ein Sparpaket, das womöglich bis zur Hälfte aus Streichungen besteht, von denen man nicht so genau weiß, wo sie herkommen sollen. Warum die jüngst gewonnen 20 Mrd. nicht einfach ins Sparpaket integrieren? So dass man beim Gipfel nicht mit leeren Händen dasteht, wo der Referenzpunkt der anderen doch bei 80 Mrd. liegt. Mit 60 Mrd. hätte man immer noch gespart und Barack Obama würde am Ende Frau Merkel womöglich noch loben.

SCHLAGWÖRTER
ÄHNLICHE BEITRÄGE

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

Archiv