Machtlos gegen einen starken Euro?
EUR USD (1,2120) Auch am gestrigen Handelstag präsentierte sich der Euro gegenüber dem Greenback in ausgesprochen guter Verfassung, ohne allerdings das starke Momentum vom Vortag aufrechtzuerhalten. Tatsächlich sollte man aber nicht von Eurostärke, sondern von Dollarschwäche sprechen.
Bemerkenswerte Dollarschwäche
Bereits vorgestern schrieb ich über die Wahrnehmungsveränderung der Akteure hinsichtlich etwaiger Maßnahmen der EZB (vgl. HIER), um den Euro gegenüber dem US-Dollar nicht allzu sehr davonrennen zu lassen. Mit Wahrnehmungsveränderung ist der Vergleich zur Situation Anfang September gemeint, als der Euro zum ersten Mal die 1,20er Marke testete. Denn im Gegensatz zu damals scheinen die Akteure dieses Mal keine Angst vor irgendwelchen indirekten Interventionen der EZB gegen den Euro zu haben. Sicherlich war der Wechselkurs über die Sommermonate bis Anfang September über größere Strecken durch Eurostärke getrieben, dieses Mal dagegen in erster Linie durch Dollarschwäche. Dabei ist die jüngste Schwäche des Greenback durchaus bemerkenswert. Denn sie ereignete sich vor allem am Dienstag, obgleich die Renditen der US-Staatsanleihen und damit das Zinsdifferenzial zugunsten des Dollar (aufgrund gestiegener Inflationserwartungen) deutlich angezogen hatten.
Schnell noch ein Stimulus-Paket schnüren?
Dabei ist längst nicht gesichert, ob wir im kommenden Jahr in den USA tatsächlich mit einer stark steigenden Konsumentenpreisinflation rechnen müssen. Vieles wird davon abhängen, wie sich größere Stimulus-Programme der Demokraten unter Leitung der designierten US-Finanzministerin Janet Yellen durchsetzen lassen, falls wie vielerorts erwartet im Senat nach den Stichwahlen in Georgia die Republikaner weiterhin das Sagen haben sollten.
Immerhin: Dem Vernehmen nach wollen führende Demokraten und Republikaner bereits am kommenden Wochenende doch noch einen neuen Stimulus-Plan zusammenzimmern. Allerdings wird es nicht um die einst von den Demokraten vor den US-Wahlen ins Spiel gebrachten 2,2 Billionen USD gehen. Vielmehr favorisieren die Republikaner ein überarbeitetes Programm, aber immer noch nur in Höhe der zuletzt angebotenen 500 Mrd. USD. Auch ist es unklar, ob der scheidende US-Präsident Donald Trump in der jetzigen Situation einem höheren Betrag – gestern wurde zuletzt immerhin ein möglicherweise zur Diskussion stehendes Volumen von 908 Mrd. USD kolportiert – zustimmen wird.
Nichts außer Verbalinterventionen
Viel wichtiger scheint mir allerdings, was die EZB bei ihrer Sitzung in der kommenden Woche gegen die Eurostärke unternehmen könnte. Noch im September sah sich EZB-Chefvolkswirt Philip Lane genötigt, den Euro schwach zu reden. Der Werkzeugkasten, die sogenannte Tool-Box, ist die gleiche wie vor drei Monaten. Auch ist wie damals kaum anzunehmen, dass die EZB, allein um den Euro zu schwächen, mit einer Leitzinssenkung aufwarten würde. Und so bleiben vermutlich – genau wie im September – nur Verbalinterventionen, doch dürften sie dieses Mal weitaus weniger Marktteilnehmer beeindrucken und schnell verpuffen – zumindest auf dem derzeitigen Kursniveau.
Das Einzige, was dem Euro tatsächlich schaden könnte, wäre ein Aufflammen großer Risikoaversion, verbunden mit einer Flucht in den Dollar. Etwa wenn sich bei den Fortschritten bei der Entwicklung der Covid-19-Impfstoffe unerwartet größere Probleme ergeben sollten. Kurzfristig bleibt der Euro mit Potenzial bis auf zunächst 1,2180 in guter Verfassung – zumindest solange er sich nun oberhalb von 1,1955 (deutlich höher) bewegt.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.