Dollar am Morgen

Euro zieht nach

am
30. September 2020

EUR USD (1,1735)             Eigentlich war die Erholung des Euro vom gestrigen Handelstag schon längst überfällig, wenn man bedenkt, wie stark die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks am Montag zur Risikofreude tendierten. Aber es bleibt für die Gemeinschaftswährung dennoch im September Stand heute ein Monatsverlust von rund 1,7 Prozent gegenüber dem Dollar übrig – der erste übrigens seit April. Dennoch würde es sich um den größten Minus-Monat seit Juli vergangenen Jahres handeln. Aber nicht zu vergessen: Der Euro überschritt am 3. September zuvor die Marke von 1,20 und notierte damit so hoch wie zuletzt im Mai 2018.

 

Ängste vor Deflationsspirale

Spätestens mit der Publizierung des vorläufigen deutschen Verbraucherpreisindex für den Monat September (-0,2 Prozent ggü. Vorjahr bzw. -0,4 Prozent in der harmonisierten Version) wurden bei nicht wenigen Akteuren und Analysten Befürchtungen wach, dass sich die Eurozone womöglich am Beginn einer deflationären Spirale befinden könnte. Zumal die Inflationsrate weit schlechter als im Mittel der Ökonomen erwartet ausgefallen war.

Aber auch wenn die Interpretation der Daten aufgrund der Corona-Situation weniger genau als zu normalen Zeiten sein mag, könnten sich die EZB-Entscheider möglicherweise zum Handeln gezwungen sehen. Natürlich wird man noch die Preisentwicklung in der Eurozone insgesamt abwarten müssen, aber für viele Marktteilnehmer ist die Erhöhung des PEPP-Programms (Pandemic Emergency Purchase Programme) der EZB von derzeit 1.350 Mrd. Euro noch in diesem Jahr bereits eine ausgemachte Sache.

 

Die acht Insider von der EZB

Aber auch die Angst vor einer importierten Deflation über einen zu festen Euro, wie sie bereits zu Anfang September schon einmal virulent war, ist mit den gestrigen Zahlen mancherorts wieder wachgerufen worden. Abgesehen davon, dass eine direkte Intervention gegen den Euro mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Falle eines neuerlichen Anstiegs nicht zu erwarten ist, ist die Situation im EZB-Rat offenbar nicht von Einigkeit gekennzeichnet. Zumindest wenn man einem Reuters-Beitrag vom Montag Glauben schenken mag. Danach sind sich die Mitglieder im EZB-Rat anscheinend darüber uneins, wie man die Wirtschaft der Eurozone möglichst unbeschadet durch eine zweite Covid-19-Welle führen kann. Dieses Bild zeichnete sich offenbar in Gesprächen mit acht EZB-Insidern ab, die allesamt mit intimen Kenntnissen über die Stimmung im höchsten Gremium der Zentralbank aufwarten konnten.

 

EZB-Rat offenbar gespalten

Während die geldpolitischen Falken im EZB-Rat dem Vernehmen nach bereits bei der September-Sitzung bemängelten, die EZB [vertreten durch Christine Lagarde] würde positive ökonomische Daten, die, wie es im Sommer mehrfach der Fall war, die Erwartungen übertrafen, zu wenig berücksichtigen, sehen die Tauben das naturgemäß ganz anders. Angeblich wünschen sie sich von der EZB-Präsidentin eine stärkere Betonung der Wachstumsrisiken und der Gefahren, die von einem zu stark aufwertenden Euro ausgehen könnten. Aber die besagten acht Quellen ließen auch durchblicken, dass sich die Falken in der EZB angesichts der relativ günstigen Marktbedingungen für eine klammheimliche Verminderung der Anleihekäufe ausgesprochen hätten, um diese im Falle einer Verschlechterung der ökonomischen Lage wieder erhöhen zu können, ohne später beim PEPP-Programm noch einmal nachlegen zu müssen.

Gut möglich, dass sich die Händler gestern angesichts der anscheinend delikaten Situation im EZB-Rat verstärkt zu Euro-Käufen durchgerungen haben. Der daraufhin ansteigende Kurs des Euro wurde zumindest temporär an unserem ersten wichtigen Angebotsniveau bei 1,1740/45 aufgehalten und heute Nacht in Fernost mit Mühe überwunden. Damit hat sich die fragile Lage des Euro etwas verbessert, insbesondere solange nun 1,1665 an der Unterseite nicht mehr verletzt wird. Indes: Nur ein Überschreiten von 1,1810/15 würde die Euro-Bären entscheidend in die Grenzen weisen. Insgesamt lässt sich also feststellen, dass sich in diesem Fall die Auspizien für einen weiteren Euro Anstieg (insbesondere aufgrund der dann bestätigten vorangegangenen Fehlentwicklung an der Unterseite) noch einmal verbessern könnten.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

Aus technischen Gründen erscheint der nächste Dollar am Morgen erst wieder am Freitag, den 2. Oktober

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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