Dollar am Sonntag

Eingepreiste Inflation

am
30. Mai 2021

Ein Kommentator brachte es auf den Punkt: Die am Freitag publizierten Zahlen zum Index der privaten Verbrauchsausgaben des Monats April (PCE) waren eigentlich schwer an den Mann zu bringen. Gemeint ist deren Überraschungseffekt, weil die Inflation, gemessen an der von der Fed viel beachteten Kernrate des PCE, eigentlich überschaubar blieb. Zumindest wenn man die Median-Erwartung der Ökonomen als Referenzpunkt wählt: So legte die Inflation gegenüber dem Vorjahr in der Kernrate um 3,1 gegenüber den erwarteten 2,9 Prozent (Vormonat +0,7 gegenüber 0,6 Prozent) zu – eigentlich kaum der Rede wert, wenn man bedenkt, dass fast jeder Akteur an den Finanzmärkten ohnehin mit steigender Inflation rechnet. Wählt man stattdessen den historischen Vergleich als Referenzpunkt, sieht das Ganze jedoch schon wesentlich dramatischer aus, weil es sich bei der April-Zahl um den höchsten Wert seit 1992 gehandelt hat.

 

Noch nicht „behind the curve“

Dies mag auch der Grund sein, warum bereits mehrfach geäußert wurde, die Fed befände sich mit ihrer Idee, dass es sich bei den gestiegenen Inflationsraten nur um ein vorübergehendes Phänomen („transitory“) handle, auf dem Holzweg. Wie ich bereits an dieser Stelle schon einmal äußerte (vgl. HIER), ist dieser Beweis längst nicht erbracht. Denn um die Annahme zu widerlegen, dass die monatlichen Inflationsraten vorübergehender Natur sind, bedarf es schließlich eines Datensatzes, der mehrere Monate umfasst. Natürlich gilt dabei: Sollte die Fed mit ihrer Meinung schief liegen, wäre sie natürlich automatisch „behind the curve“, würde also der Inflationsentwicklung hinterherrennen müssen. Aber so weit sind wir noch nicht.

Mit anderen Worten: Streng genommen liegt eine Veränderung der geldpolitischen Linie der US-Notenbank in Form einer Verringerung der Anleihekäufe (Tapering) noch in weiter Ferne. Auch die Diskussion darüber, die in den Finanzmärkten bereits heute und für die Fed nach Ansicht einiger Akteure frühestens beim Symposion in Jackson Hole Ende August beginnen dürfte, ist nicht viel mehr als ein Grundrauschen.

 

Kein schlechter Börsenmonat Mai

Lässt man den Monat Mai Revue passieren – zumindest lässt sich dies für die USA aufgrund des Feiertags am Montag endgültig feststellen –, haben die Zinsängste und befürchteten Tapering-Diskussionen per Saldo für erstaunlich wenig Marktbewegung gesorgt. Tatsächlich haben sich die Renditen der US-Staatsanleihen, gemessen an den Papieren mit zehnjähriger Fälligkeit, nicht befestigt, sondern sind sogar ein wenig gefallen. Umgekehrt konnte der US-Aktienindex S&P 500 den Mai mit einem, wenn auch minimalen Gewinn abschließen. Deutlicher profitierte indes der hiesige EURO STOXX 50, der bislang mit einem Plus von 2,4 Prozent im Mai aufwartet, der DAX sogar mit ein wenig mehr. Ein gutes Investment übrigens für US-Anleger, die – sofern ungesichert – auch noch vom Kursgewinn des Euro gegenüber dem US-Dollar in Höhe von 1,3 Prozent profitierten.

Immerhin stand der kurzfristige Aufwärtstrend des Euro am Freitag nach Veröffentlichung der PCE-Zahlen etwas auf der Kippe, als die Gemeinschaftswährung das wichtige Niveau von 1,2130/35 kurzzeitig testete, sich allerdings zum Wochenschluss wieder eindrucksvoll befestigte und auf das Eröffnungsniveau des letzten Handelstages zurückkehrte. Mit anderen Worten: Die kurzfristigen Wetten auf steigende US-Anleihezinsen im Vorfeld der Veröffentlichung der Inflationsdaten hatten sich am Ende nicht ausgezahlt.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

Wegen des US-Feiertages Memorial Day und des UK-Bankfeiertags am Montag erscheint der nächste Kommentar erst am Mittwoch, den 2. Juni.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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