Dollar am Morgen

Eingeimpfte Euphorie

am
10. November 2020

EUR USD (1,1830)             Nachdem es sich am vergangenen Wochenende immer deutlicher abgezeichnet hatte, dass Joe Biden die Wahl für das US-Präsidentenamt gewonnen hat, dürften sich gestern viele Akteure anfangs erst einmal auf eine Konsolidierung an den Aktienmärkten eingestellt haben. Natürlich hoffte man mancherorts insgeheim gar auf einen kleinen Rücksetzer, um irgendwie noch in den Markt hineinzukommen.

 

Ein Turbo für die Rallye

Diese Chance bot sich leider nicht, weil die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks förmlich explodierten, als das Mainzer Pharma-Unternehmen Biontech bekanntgab, ermutigende Zwischenergebnisse für einen Impfstoffkandidaten in einer wichtigen Studienphase präsentieren zu können. Den Daten zufolge biete eine Impfung einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor Covid-19, hieß es. Biontech und der Pharmariese Pfizer wollen offenbar bereits in der kommenden Woche eine Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Und so gewannen der hiesige DAX 4,9 und der EURO STOXX 50 gestern 6,3 Prozent an Wert; in den USA erreichte der breitgestreute S&P 500 vorübergehend sogar ein neues Allzeithoch.

 

Bereits bullish eingestellt gewesen

Wir erinnern uns: Bereits in der vergangenen Woche war das politische Umfeld bullish für Aktien, zumal viele Akteure einem Sieg Joe Bidens bei der Präsidentschaftswahl und der Aussicht auf eine republikanischen Mehrheit im Senat sogar etwas Positives abgewinnen konnten. Obwohl damit eine Blockade wichtiger größerer Vorhaben verbunden gewesen wäre. Aber allein schon die geringe Aussicht, dass bei den Stichwahlen in Georgia Anfang kommenden Jahres noch zwei demokratische Abgeordnete die Mehrheitsverhältnisse im Senat auf 50:50 stellen könnten, gab zu positiven Spekulationen Anlass. Denn bei dieser Pattsituation hätte die designierte Vizepräsidentin Kamala Harris die ausschlaggebende Stimme für eine demokratische Mehrheit.

 

Tech-Werte verschnupft

Mit der stark gestiegenen Hoffnung auf einen Corona-Impfstoff kam also gestern an den Aktienmärkten eine richtige Euphorie auf, obwohl natürlich die Tech-Werte und andere Wachstumsaktien, die von der Covid-19-Krise bislang profitiert haben, beim gestrigen Kurssprung naturgemäß nicht richtig mitmachen konnten. Und man darf gespannt sein, wie sich die fünf größten Tech-Werte (FAAMG[1]), die etwa 25 Prozent des Aktienindex S&P 500 ausmachen, schlagen werden, wenn sich die Impfstoff-Hoffnungen verfestigen sollten. Die Technologiebörse Nasdaq reagierte im Vergleich zu den anderen Indices zynischerweise verschnupft auf die gute Botschaft und schloss wie der S&P 500 praktisch am Tagestief.

 

Dollar zieht nicht mit

Einzig der US-Dollar wollte sich an der Party der Risikofreude nicht beteiligen. Nach anfänglicher leichter Schwäche zog er sogar an und sorgte dafür, dass der Euro auf der anderen Seite nicht wirklich abheben konnte. Tatsächlich fiel die Gemeinschaftswährung nach Überschreiten der Konsolidierungsobergrenze bei 1,1875 am Freitag gestern in ihre frühere Zone zurück und läuft nun Gefahr, eine regelrechte Fehlentwicklung an der Oberseite produziert zu haben. Diese wäre nach einem Unterschreiten von 1,1735/40 (modifiziert!) bestätigt und würde anschließend zu weiteren Kursrückgängen führen.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

[1]  Gemeint sind Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, und Google (Alphabet).

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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