Eine Melange aus Überreaktion und Bedenken
EUR USD (1,1825) Manchem dürfte die Euphorie, die am Montag auf die Impfstoff-Nachrichten von BioNTech und Pfizer folgte, als Überreaktion der Aktienmärkte erscheinen. Aber nicht nur das. Es gab natürlich – berechtigt oder nicht – Einwände, ob es sich tatsächlich um den bedeutendsten wissenschaftlichen Durchbruch seit Beginn der Corona-Pandemie gehandelt haben sollte. Ganz zu schweigen von der Frage, wann ein neuer Impfstoff tatsächlich Marktreife erreichen würde.
Jede Menge Regret
Nun bin ich in Sachen Covid-19 gewiss kein Fachmann, obwohl ich noch nie zuvor so viel auf Virologen gehört habe wie im Augenblick. Aber was die Finanzmärkte angeht, lässt sich zumindest sagen, dass der Begriff „Überreaktion“ vor allen Dingen von denjenigen Marktteilnehmern im Munde geführt wird, denen die Bewegung nicht in den Kram passt. Sei es, dass sie die falsche Position hatten oder ihre Gewinne zu früh realisiert haben und nun trotz eines profitablen Trades jede Menge psychischen Regret[1] an den Tag legen. Denn wann gibt es schon solch massiven Marktentwicklungen innerhalb kürzester Zeit, wie sie am Montag in den Aktienmärkten zu beobachten waren. Und dann sagt man eben, dass sich die Aufwärtsbewegung zu schnell und in zu kurzer Zeit vollzogen habe.
Rückenwind für sparsame Politiker
Allerdings muss man den Skeptikern zugutehalten, dass bestimmte Marktrisiken zurzeit mancherorts tatsächlich ausgeblendet werden. Denn mit dem Durchbruch in Sachen Impfstoff dürften diejenigen, die in den USA ohnehin einem Covid-19-Konjunkturprogramm kritisch gegenüberstehen, argumentativen Rückenwind bekommen haben. Nach dem Motto: Eigentlich bedürfe es jetzt erst recht keines zusätzlichen großen Hilfsprogramms mehr. Obwohl es bis zu dem Zeitpunkt, wenn der neue Impfstoff Marktreife erlangt, die Pandemie eingedämmt wird und sich die Konjunktur dadurch erholen kann, noch Monate dauern wird. Die Rede ist von republikanischen Abgeordneten im US-Senat, die einem großzügigen Stimulus-Programm der Demokraten auf keinen Fall zustimmen würden. Dabei kann man sich gut vorstellen, dass der Drang zur Sparsamkeit bei den Republikanern schon deshalb stark ausgebildet sein dürfte, weil der neue US-Präsident von den Demokraten gestellt wird.
Als mittelfristig fair bewertet wahrgenommen
Unterdessen hat sich beim US-Dollar auch gestern auffallend wenig getan. Bereits am Montag taugte der Greenback nicht als Barometer für Risikofreude bzw. -aversion. Und da sich gestern das Handelsgeschehen andernorts etwas beruhigte, hatten die Devisenhändler ohnehin wenig Nachholbedarf, etwas an ihren Positionen zu verändern. Dass sich der Euro wieder in seiner Konsolidierungszone aus der vergangenen Woche (1,1600/1,1875) bewegt, mag vielleicht auch dem Umstand zu verdanken sein, dass nach unserem Behavioral Finance Modell der wahrgenommene mittelfristig faire Wert des Euro derzeit bei 1,1760 liegt. Dazu passt auch, dass die Gemeinschaftswährung stabil bleibt, solange sie sich oberhalb von 1,1735/40 halten kann.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.
[1] Darunter versteht man das Bedauern, eine bestimmte Entscheidung gefällt zu haben,