Dollar am Morgen

Eine neue Strategie

am
28. August 2020

EUR USD (1,1850)             Nun war die Rede von Fed-Chef Jerome Powell zur Eröffnung des virtuellen Jackson-Hole-Symposiums nicht nur mit Spannung erwartet, sondern auch mit hohen Erwartungen der Finanzmarktakteure verbunden gewesen. Und tatsächlich kündigte Jerome Powell einen veränderten Umgang der Notenbank mit dem Begriff des Inflationsziels an. Mit dieser Neuausrichtung der Geldpolitik gilt zwar weiterhin das Inflationsziel von 2 Prozent, allerdings nicht mehr als Zielwert, der mit allen Mitteln erreicht werden soll, sondern als Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum.

 

Der Realität gebeugt

Tatsächlich hat sich der Offenmarktausschuss (FOMC) der Realität gebeugt, zumal das Inflationsziel von 2 Prozent in den vergangenen Jahren offenkundig über längere Zeiträume verfehlt wurde. Ein Kommentator stellte fest, dass der Index der Privaten Konsumausgaben (PCE), das bevorzugte Inflationsmaß der Fed, in der Kernrate während der vergangenen 20 Jahre im Schnitt lediglich 1,72 Prozent betragen und nicht einmal ein Drittel der Zeit über dem besagten Ziel von 2 Prozent gelegen habe. 

Kritiker bemängelten zurecht, dass sich die Fed offensichtlich nicht festlegen wolle, wie nun der Begriff Durchschnittsinflation zu definieren sei. Denn die Länge eines zu berücksichtigenden [gleitenden] Durchschnitts hat natürlich Einfluss darauf, wie lange und wie stark die Inflationsrate die Marke von 2 Prozent überschreiten darf, bis auch der Durchschnittswert dieses Ziel erreicht hat. Kurzum: Neue und höhere Inflationsraten schlagen sich naturgemäß mit einer nicht unerheblichen Verzögerung in ihrem Durchschnittswert nieder.  

 

Asymmetrische Reaktion auf Beschäftigung

Nun gab Powell auch bekannt, dass das Ziel einer „maximalen Beschäftigung“ in der Neuausrichtung der Geldpolitik ein stärkeres Gewicht bekommen werde. Dabei wird die Fed nicht – wie früher üblich – die Geldpolitik straffen, falls der Arbeitsmarkt heiß zu laufen droht, um möglichen Inflationsgefahren entgegenzuwirken. Vielmehr werde die Zentralbank ein Beschäftigungsniveau, das die maximalen Erwartungen übertrifft, laufen lassen – es sei denn, es ergeben sich tatsächlich Anzeichen für eine Inflation jenseits des angestrebten Ziels, so Powell sinngemäß. Natürlich werde man andererseits nicht zögern, [geldpolitisch] gegenzusteuern, sofern die Beschäftigung unter dem maximal angestrebten Niveau liegen sollte. Damit erhält die Entwicklung am Arbeitsmarkt in der Geldpolitik der Fed nicht nur ein erheblich größeres Gewicht als zuvor. Vielmehr dürfte diese neue Form der Betrachtung seitens der Fed zu einer verstärkt asymmetrischen und taubenhafteren Geldpolitik führen.

 

Viel Volatilität ohne Effekt

Darauf hat der Devisenhandel recht deutlich reagiert. Denn zunächst schwächte sich der Dollar derart ab, dass sich der Euro zwar seinem Stabilitätspunkt bei 1,1910/15 gefährlich näherte. Aber er musste nach dem Motto: „Buy the rumour, sell the fact“ – viele Akteure hatten die Ankündigung einer Änderung der Fed-Politik erwartet – hernach einen massiven Dämpfer hinnehmen. Vielleicht auch, weil gerade hinsichtlich des durchschnittlichen Inflationsziels einiges nebulös geblieben ist. Am Ende des Tages gelang es der Gemeinschaftswährung jedenfalls nicht, ihren übergeordneten Aufwärtstrend wieder aufzunehmen. Stattdessen bleibt der Korrekturmodus erhalten, wobei der Auslöser für zusätzliche Abwärtskorrekturen bei 1,1755 gestern ebenfalls nur knapp verfehlt wurde. Nach dessen Unterschreiten wäre nämlich auch noch ein Test von 1,1660/65 nicht mehr auszuschließen.

 

Hinweise

 

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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