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24. August 2012

Vor kurzen erhielt ich einen tollen Tipp: Ein Freund aus Berlin, der lange in New York gelebt hatte, empfahl mir die DVDs einer US-Anwaltsserie mit dem Namen „Damages“, die 2008 auch in Deutschland unter ähnlichem Titel im Fernsehen lief, wenn auch nur mit mäßigem Erfolg. Anfangs war ich skeptisch, ob es dem Drehbuchautor und Regisseur gelungen war, komplexe juristische Sachverhalte spannend zu inszenieren. Doch dann wurde ich sogar regelrecht süchtig danach, mir eine Folge nach der anderen anzuschauen, am besten im englischsprachigen Original.

„Damages“ ist ein juristischer Begriff und bedeutet so viel wie Schäden, aber auch Schadenersatz. Abgesehen von einem packenden Kampf zwischen Gut und Böse (wobei man phasenweise nicht mehr weiß, wer gut und wer böse ist) geht es in der ersten Staffel der Serie vor allem um viel Geld, das der Unternehmer und Milliardär Arthur Frobisher als Schadenersatz an seine ehemaligen Angestellten zahlen soll. Diese hatten durch so genanntes frontrunning ihres früheren Arbeitgebers (Frobisher hatte eigene Aktien verkauft, wohl wissend, dass sein Unternehmen direkt vor der Pleite stand) nicht nur ihre Arbeitsplätze, sondern auch einen Großteil ihres Besitzes verloren. Obgleich dem Milliardär strafrechtlich nichts nachgewiesen werden konnte, wurde, um auch eine Zivilklage abzuwenden, der Versuch eines Vergleiches unternommen. Die Summe, um die die Vertreterin der Sammelkläger, die selbstständige Anwältin Patty Hewes (gespielt von der grandiosen Glenn Close), und der Anwalt  von Arthur Frobishers mit allen Regeln der juristischen Kunst dabei feilschten, schwankte zwischen 75 Millionen und zwei Milliarden US-Dollar. Je nachdem, wer im Ermittlungsverlauf die jeweils besseren Zeugen und Beweismittel zur Hand hatte. Auch wenn der Bösewicht am Ende vollends zur Kasse gebeten wurde, konnte ich mich während der gesamten Serie nicht des Eindrucks erwehren, dass im amerikanischen Rechtssystem nicht zählt, was der Wahrheit am nächsten kommt, sondern vielmehr die Frage, wer den smarteren Anwalt hat. Am Ende der ersten TV-Staffel schien dann die Gerechtigkeit gesiegt zu haben, zumindest im Rechtsverständnis des amerikanischen Fernsehens, den die geprellten Angestellten bekamen, dank des unermüdlichen Einsatzes der Serienheldin Patty alias Glenn Close fast das ganze Vermögen ihres früheren betrügerischen Arbeitgebers als Schadenersatz zugesprochen.

 

Fiktion und Realität liegen nahe zusammen

Mir wurde dabei auch bewusst, wie nah Fiktion und Realität möglicherweise beieinander liegen können. So musste ich unwillkürlich an die jüngste Diskussion über das Vorgehen verschiedener Investmentbanken denken, denen man vorwarf, sie wären in die mutmaßlichen Manipulationen am Libor in England oder in möglicherweise unerlaubte Iran-Geschäfte verwickelt. Während bei Zivilklagen auch hierzulande Vergleiche ein probates Mittel zu sein scheinen, kann man bei der US-Rechtsprechung den Eindruck gewinnen, als ob sogar bei strafrechtlich relevanten Vergehen am Ende  häufig ein außergerichtlicher Vergleich oder einem Vergleich ähnliche massive Zahlungen gegen Einstellung der Ermittlungen angeboten werden, ohne dass die Schuldfrage noch weiter geklärt würde. So geschehen bei der Credit Suisse, Barclays, bei ING und zuletzt bei Standard Chartered. Jeweils sind Millionen geflossen, für die letztlich nicht unbedingt die eigentlich Verantwortlichen aufkommen mussten. Denn am Ende sind es doch die Aktionäre, die diese Rechnungen beim Rechtsdeal begleichen, und nicht diejenigen, die für ihre, sagen wir mal, etwas unorthodoxen  Geschäftspraktiken auch noch in Form von Boni und anderen Vergütungsanreizen belohnt worden waren. Natürlich werden dann immer auch ein paar Leute gefeuert, die im Übrigen aber juristisch nicht weiter belangt werden. Doch hat der Vergleich in Form einer Strafzahlung vor allem den einen internen Effekt: Er sozialisiert die Verantwortung.

 

Willkürliche Referenzpunkte

Für die Öffentlichkeit bleibt so ein schaler Nachgeschmack, wenn etwa Standard Chartered sich mit dem New York State Department of Financial Services (DFS) auf eine Geldbuße von 340 Millionen Dollar einigt, um einem möglichen Entzug der New Yorker Banklizenz zu entgehen und um vor allem die ganze Geschichte möglichst schnell aus den Schlagzeilen zu bringen. Nicht nur, weil damit vieles vertuscht werden könnte, das womöglich von öffentlichem Interesse wäre. Vielmehr stellt sich für viele Menschen die Frage, ob denn nun die Zahlung von 340 Millionen Dollar eine schwere oder eine kleine Strafe darstellt, können sich doch die wenigsten doch überhaupt auf Grund fehlender eigener Erfahrungen ermessen, wie groß so ein Betrag denn eigentlich ist. Und so muss man sich, wie im Falle des schurkischen Arthur Frobisher aus der Fernsehserie, an fragwürdigen und willkürlich gesetzten,  externen Referenzpunkten orientieren. Beim Börsenbetrüger im Film war das dessen ganzes Vermögen. Und im Falle von Standard Chartered gab es immer hin Straf-Schätzungen von Analysten. Wie hoch würden die im schlimmsten Falle aussehen? Eine Milliarde Dollar? Das ist richtig viel und sieht auch noch rund aus. In den Augen vieler Bürger für eine Bank genau die richtige Strafe. So gesehen, sind 340 Millionen Dollar eigentlich gar nicht viel. Doch dürfte diese Art von Ablasshandel für Banken bei den Privatanlegern nicht wie eine vertrauensbildende Maßnahme aufgenommen werden. Aber wer weiß, ob diese dann nicht doch wieder schnell bereit wären, ihre moralischen Skrupel beiseite zu schieben, sobald man ihnen eine hohe Rendite in Aussicht stellt.

Und die Moral von der Geschicht‘? Die gibt es diesmal leider nicht!

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1 Kommentar
  1. Antworten

    0177translator

    24. August 2012

    Sie haben die britische Standard Chartered Bank nackig gemacht, jetzt ist die „Deutsche“ Bank dran. Ihr wißt schon, die mit den Peanuts von Jürgen Schneider. Die Leute von Goldman Sachs ließ man jedoch vom Haken. Warum? Weil letztere Bank eine STAATSTRAGENDE Funktion im System hat, durch das die USA die Welt (noch) finanziell beherrschen. Letztere hat doch vor 11 Jahren der damaligen Regierung von Griechenland dabei geholfen, sich in den Euro hinein zu schwindeln. D.h., uns den Trojaner unterzujubeln. Damit der Euro keineswegs etwa den Dollar ablöst als WeltleiDwährung. Nein, wer so wertvoll ist wie Goldman Sucks, für den läßt man schon mal fünfe gerade sein.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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