Gesellschaft Wirtschaft

Zwei Welten

am
24. Februar 2012

Normalerweise äußere ich mich nicht zu Banker-Boni und schon gar nicht über deren Höhe. Wenn ich aber heute bei Spiegel online lese, dass sich die Investmentbanker in diesen Tagen bescheiden müssen, wenn es um die Boni für das Jahr 2011 geht, habe ich das Gefühl, dass man etwas vielleicht verstanden zu haben scheint. So fallen bei der Schweizer UBS die Erfolgsprämien um 40 Prozent und bei der französischen BNP Paribas sogar um 50 Prozent niedriger als im Vorjahr aus. Daneben stehen Arbeitsplätze zur Disposition, auch groß angelegte Kostensenkungsprogramme sind längst angelaufen. All diese Maßnahmen werden von manchen Kommentatoren immer noch mit großer Häme begleitet, zwischen den Zeilen kann man manchmal sogar ein polemisches „recht so!“ lesen –  ich möchte mich darüber ganz bewusst nicht auslassen.

In Großbritannien scheinen die Uhren allerdings anders zu ticken. Denn wenn ich heute Morgen gleichzeitig in der Financial Times lese, dass die Royal Bank of Scotland (RBS) für 2011 einen Verlust von knapp 2 Mrd. GBP verbuchen musste und dabei trotz allem 985 Mio. GBP an Boni für dieses Geschäftsjahr ausschütten wird, dann schwillt mir der Kamm. Denn man darf nicht vergessen, dass sich dieses Institut zu 83 Prozent in staatlicher Hand befindet und überdies seit der Rettung im Jahre 2008 vier Verlustjahre hintereinander hingelegt hat[1]. Hatte nicht RBS-Chef Stephen Hester unlängst unter dem Druck der Öffentlichkeit auf seinen im Vergleich zur insgesamt ausgeschütteten Summe geradezu mickrig aussehenden Bonus von einer Million Pfund verzichtet? Sieht das nicht lächerlich aus? Im Schach würde man von einem Damenopfer sprechen, um am Ende das Spiel zu gewinnen: Der Chef-Bonus wurde für den großen Topf geopfert.

Eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass Boni für gute Leistungen und nicht dafür gezahlt werden, um die eigene Arbeitskraft auf Betriebstemperatur zu bringen. Weil man Talent belohnen muss, wie man allenthalben immer wieder hört. Ich frage mich, worin die Leistung besteht, wenn man für Verluste bezahlt wird. Besteht das Talent etwa darin, dass diese Verluste andernfalls noch höher ausgefallen wären?

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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