Wieder nur eine Bärenfalle?
Wie lange kann so etwas gut gehen? Diese Frage könnte man sich nach der gestrigen Reaktion der Aktienmärkte in den USA und hierzulande ohne weiteres stellen. Denn was tags zuvor noch bedrohlich nach einer größeren Marktbereinigung aussah, präsentierte sich später doch wieder nur als einer dieser typischen Ausrutscher, wie wir sie in der Zeit, die auf den Corona-Einbruch im vergangenen Jahr folgte, an den Aktienmärkten immer wieder erlebt haben. Anders ausgedrückt: Wer blindlings immer wieder die sogenannten „Dips“ gekauft hat, konnte eigentlich nicht viel falsch machen. Indes: Die gestrige Stimmungsumfrage der Börse Frankfurt hat zumindest gezeigt, dass die meisten hiesigen Akteure (vgl. meinen Kommentar HIER) anscheinend den jüngsten Dip bzw. Rücksetzer des DAX nicht zu Käufen in die Schwäche genutzt haben. Aus gutem Grund.
Worte einer mächtigen Finanzministerin
Hatte doch die US-Finanzministerin Janet Yellen tags zuvor in einem Interview (genau genommen war dieses bereits am Montag aufgezeichnet worden) gegenüber der US-Zeitung „Atlantic“ mit einem einzigen Satz für Furore gesorgt. Die Finanzministerin sagte, dass die Zinsen möglicherweise etwas anziehen müssten, damit sich die Wirtschaft nicht überhitze. Auch wenn es dabei nur um einen ganz bescheidenen Zinsschritt gehen sollte, hatte Yellen damit etwas gesagt, was Notenbankchef Jerome Powell noch nicht einmal in seinen kühnsten Träumen sich auszudenken gewagt hätte.
Auch wenn Yellen in einem weiteren Interview am Dienstag klarstellte, dass sie nicht von einem „Inflationsproblem“ ausgehe und sie auch in Sachen Zinserhöhung weder etwas vorhersagen noch empfehlen wolle, schienen einige Kommentatoren ihr diese Relativierung nicht wirklich abzunehmen. Natürlich will Yellen nicht die Unabhängigkeit der Notenbank infrage stellen. Auch bekleidet sie „nur“ das Amt der Finanzministerin. Aber in der Wahrnehmung vieler Akteure ist sie viel mehr als das: Für sie ist Yellen immer noch der heimliche, wahre Kopf der Fed und nicht Jerome Powell. Ihr Wort hat Gewicht, auch wenn sie sich niemals in die Notenbankpolitik einmischen würde.
Noch keine Überhitzung
Umso wichtiger war es gestern, dass die publizierten Wirtschaftsdaten keine Hinweise auf eine tatsächliche Überhitzung der Wirtschaft boten. Die Rede ist zum einen vom Stellenzuwachs der privaten Arbeitsmarktagentur ADP, der für April mit einem Plus von 742 Tsd. Jobs die Medianerwartung (870 Tsd.) der Ökonomen verpasste. Aber die Qualität solcher Zahlen hängt ohnehin vom Referenzpunkt des Betrachters ab, zumal es sich um den größten Stellen-Zugewinn seit September des Vorjahres handelte. Aber ob nun die ADP-Zahlen besser oder schlechter ausfallen – für den am Freitag zur Veröffentlichung anstehenden Arbeitsmarktbericht der Regierung lässt deren Vorhersagekraft seit der Corona-Pandemie ohnehin zu wünschen übrig.
Aber auch der ISM-Einkaufsmanagerindex der Dienstleister konnte mit 62,7 die Konsens-Erwartung der Ökonomen (64,1) nicht erfüllen. Dennoch zeigt die Preiskomponente des Index eine ähnliche Tendenz wie beim bereits publizierten ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe: Der Sub-Index für die bezahlten Preise lag so hoch wie zuletzt im Jahr 2008.
Was nun die Währungen angeht, präsentierte sich der Greenback weiterhin in robuster Verfassung, ohne allerdings wirklich weiteren Boden gut zu machen. Immerhin blieb der Euro unter Druck und stand zeitweise unweit seines ersten wichtigen Nachfrageniveaus von 1,1975/80. Unterhalb davon besteht nun immerhin im Rahmen des übergeordneten kurzfristigen Aufwärtstrends Spielraum für weitere Korrekturen in Richtung 1,1870/75. Ohnehin wäre die derzeitige Korrektur erst nach Überschreiten von 1,2085/90 überstanden.
Hinweise
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.