Dollar am Sonntag

Wie krank ist Donald Trump?

am
4. Oktober 2020

EUR USD (1,1715)             Die dramatische Nachricht, dass US-Präsident Donald Trump und seine Frau Melania an Covid-19 erkrankt sind, hat am Freitag die Schlagzeilen auf der ganzen Welt beherrscht. Und die Reaktionen dürften vielfältig gewesen sein. Damit sind nicht die offiziellen Genesungswünsche gemeint, denen auch wir uns an dieser Stelle anschließen möchten. Viel interessanter mag das sein, was sich die Menschen insgeheim in einer ersten Reaktion gedacht haben mögen, aber eben nicht offen ausgesprochen haben. Die Bandbreite reicht von starkem Mitgefühl und Gebeten bis hin zu Schadenfreude und dem typischen „Das habe ich kommen sehen“. Und genauso widersprüchlich, wie die Reaktionen am Freitag gewesen sein mögen, haben auch die Teilnehmer an den Finanzmärkten reagiert.

 

Gespaltene Reaktion…

Natürlich gaben die Aktienmärkte erst einmal nach, aber längst nicht so stark, wie es einige Kommentatoren zunächst befürchtet hatten. So verlor der US-Aktienindex S&P 500 zur Eröffnung am Freitag 1,7 Prozent, und der hiesige DAX machte von seinem anfänglichen Minus von 1,4 Prozent den größten Teil bis zum europäischen Handelsschluss wieder wett.

Während die dramatischen Neuigkeiten die Märkte durcheinanderwirbelten, wurden in den Strategieabteilungen der Banken und Investoren bereits alle möglichen Szenarien durchgespielt. Würde Donald Trump bei den Wahlen am 3. November einen emotionalen Bonus aufgrund seines Gesundheitszustandes bekommen? Oder galt er jetzt als geschwächt und daher für viele jetzt nicht mehr wählbar? Wen könnte der US-Präsident vor allen Dingen im „unmaskierten“ Fernsehduell mit seinem Kontrahenten Joe Biden noch angesteckt haben? Was würde passieren, wenn Vizepräsident Mike Pence auch noch positiv auf Corona getestet würde? Droht etwa eine Staats- oder gar Verfassungskrise?

 

… und Komplexitätsaversion

Eine nahezu unüberschaubare Vielzahl an möglichen Variablen beherrscht die Szenarien, aufgrund derer womöglich wichtige Entscheidungen gefällt werden. Und weil die Informationssituation so komplex ist, herrscht Unsicherheit, die sich bislang aber kaum in den Finanzmärkten niedergeschlagen hat. Zumindest lässt sich momentan feststellen, dass die zuletzt eher ungünstigen Umfragewerte für Trump und alle anderen für ihn ausgesprochen ungünstigen Themen wie seine verdächtig niedrigen Steuerzahlungen in den vergangenen Jahren in den Hintergrund getreten sind, was für sich betrachtet für den Präsidenten eher von Vorteil sein mag. Entscheidend ist jetzt allein, wie es Trump gesundheitlich geht, und jedes ärztliche Bulletin scheint wichtiger zu sein als alle ökonomischen Daten.

 

Keine Nerven für US-Arbeitsmarktbericht

Und so ist auch der US-Arbeitsmarktbericht für September, der normalerweise mit Spannung erwartet wird, völlig in den Hintergrund getreten. Während die Zahlen der privaten Arbeitsmarktagentur ADP am vergangenen Mittwoch noch besser als erwartet ausgefallen waren, fiel der offizielle Bericht vom Freitag eher durchwachsen aus. Zwar ergab sich ein Zuwachs von 661 Tsd. neu geschaffenen Stellen, der allerdings deutlich hinter der Medianerwartung der Ökonomen von zuletzt 875 Tsd. Stellen zurückblieb. Indes: Die Revisionen für die Monate Juli und August sorgten für zusätzliche 145.000 Tsd. außerhalb der Landwirtschaft. Damit bewahrheitet sich der Trend, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt zwar verbessert, aber das Momentum des Heilungsprozesses deutlich nachlässt. Immerhin: Etwas mehr als die Hälfte der Stellen, die im März und April durch die Coronakrise verlorengegangen waren, sind wieder zurückgewonnen worden. Dennoch kann am Arbeitsmarkt nicht von einer V-förmigen Erholung gesprochen werden.

 

Keine Fortschritte beim Stimulus-Programm

In diesem Zusammenhang muss auch das US-Stimulus-Programm genannt werden, mit dem es am Freitag wieder nicht vorangegangen ist. Zwar haben die Demokraten noch am Donnerstagabend ein Rettungspaket in Höhe von 2,2 Billionen USD im Repräsentantenhaus verabschiedet, aber dieses Paket wird den Senat nicht passieren. Denn der dortige republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell dürfte zurzeit kaum einem Programm zustimmen, dessen Volumen mehr als 650 Mrd. USD beträgt. Gleichzeitig sind die Einflussmöglichkeiten Donald Trumps gering – er würde sich möglicherweise für ein Paket von 1,5 Billionen USD stark machen –, vom Krankenhaus aus Druck auf die Parteigenossen auszuüben.

Der Euro präsentierte sich am Freitag zwar leicht schwächer, beendete allerdings die europäische Handelssitzung dort, wo er sie begonnen hatte. Tatsächlich schaffte die Gemeinschaftswährung zum ersten Mal seit einem Monat wieder einen größeren Wochengewinn, bleibt allerdings in einer Art Niemandsland oberhalb von 1,1670/75 stabil. Für eine Beendigung der derzeitigen Korrekturphase und Eröffnung eines neuen kurzfristigen Aufwärtstrends müsste allerdings 1,1805 überwunden werden.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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