Wer bietet mehr?
EUR USD (1,1600) Wenn zurzeit Wirtschaftsdaten eine hohe Aufmerksamkeit verdienen, dann sind es die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA. Vor allem, weil diese zeitnah erfassten Daten den US-Arbeitsmarkt sehr gut abbilden. Im Gegensatz zu vielen anderen ökonomischen Daten, deren Halbwertszeit während der Corona-Krise schneller als gewöhnlich sinkt, so dass sie bei ihrer Veröffentlichung häufig bereits Makulatur sind.
Erstanträge auf US-Arbeitslosenhilfe steigen wieder
Nun haben in der vergangenen Woche 1,42 Millionen Menschen in den USA einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt, wie die gestrige Veröffentlichung der Daten ergab. Und weil diese Zahl nicht nur deutlich über den Erwartungen der Ökonomen lag (Medianprognose: 1,3 Millionen), sondern auch noch die erste wöchentliche Zunahme seit März darstellt, wurde einmal mehr deutlich, dass sich der US-Arbeitsmarkt in einer schwierigen Situation befindet. Müßig zu erwähnen, dass die Wiedereinführung von Corona-bedingten Sicherheitsmaßnahmen und Lockdowns zu weiteren Entlassungen und Geschäftsschließungen in den USA führen wird. In den Bundesstaaten, die ihre geplante Wiedereröffnung des Geschäftslebens stoppen oder sogar rückgängig machen mussten, leben etwa 75 Prozent der gesamten US-Bevölkerung.
Deutliche Reduzierung geplant
Umso wichtiger ist für die US-Bevölkerung die Verlängerung der Hilfen für Arbeitslose, die Ende der kommenden Woche auslaufen. Dabei geht es – die Hilfen sollen im Rahmen des neuen Stimulus-Programms mit dem Namen CARES 4.0 laufen – auf Bundesebene um Hilfen von 600 USD pro Woche und Person, die zurzeit zusätzlich zur Arbeitslosenunterstützung der jeweiligen Bundesstaaten gezahlt werden.
Indes: Vertreter der Republikaner deuteten bereits an, dass sie diesen Betrag drastisch reduzieren wollten, und zwar um 100 bis 300 USD pro Woche. Allerdings konnten sich die Republikaner innerhalb der Partei gestern Nacht nicht wie angekündigt auf die Inhalte des geplanten 1,0 Billionen Dollar schweren Stimulus-Paketes CARES 4.0 einigen. So war zu vernehmen, dass das Programm frühestens in der kommenden Woche vorgestellt würde.
Einst verschmäht, nun geliebt
Dass es für den Dollar momentan nicht gut läuft, wird an dessen Entwicklung gegenüber einem Korb an verschiedenen Valuten, gemessen am Dollar-Index, deutlich. Danach hat der Greenback an 12 der vergangenen 15 Handelstage einen Tagesverlust produziert. Und dies bedeutet umgekehrt zwölf Tagesgewinne für den Euro. Dass sich die Gemeinschaftswährung plötzlich auffallend starker Beliebtheit erfreut, wird beispielsweise an einem gestrigen Kommentar der Financial Times deutlich. Ja, die Einigung der EU auf dem Sondergipfel vom vergangenen Wochenende, die erst Dienstag früh zustande kam, scheint alles verändert zu haben.
So weist der FT-Beitrag darauf hin, dass die Durchschnittsprognose für den Euro, die eine Gruppe von Ökonomen in einer Umfrage von Bloomberg vor dem EU-Gipfel abgegeben hatte, zum Jahresende noch bei 1,15 gelegen habe. Nun ist der Euro seit Ende Mai, als der Wiederaufbaufonds zum ersten Mal vorgeschlagen wurde, fast um 7 Prozent im Verhältnis zum Dollar gestiegen. Und immer mehr Strategen gesellen sich zu denjenigen, die die gemeinsame Schuldenaufnahme der EU als Meilenstein für die Gemeinschaftswährung bezeichnen.
1,20, 1,30, 1,35?
Noch gibt es Skeptiker, die davor warnen, dass einige Zwistigkeiten zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten nicht gelöst, sondern angesichts der Corona-Krise nur schnell übertüncht wurden. Aber ihre Stimmen werden weniger. Die Konsequenz: Seit Dienstag finden viele die Eurozone plötzlich gereift. Und beim Corona-Krisenmanagement seien die EU-Staaten ohnehin viel erfolgreicher als die USA, lautet nun das neue Credo.
Mit der Folge, dass die Euro-Prognosen bis zum Jahresende mittlerweile auf 1,20, 1,30 oder gar 1,35 angehoben werden. Nicht zuletzt, weil internationale Fondsmanager Aktien der Eurozone gegenüber US-Werten [Anmerkung: wie bereits in den vergangenen beiden Monaten] – den Vorzug geben könnten, heißt es.
Bei so viel Einigkeit scheint die nächste Euro-Abwärtskorrektur erfahrungsgemäß nicht allzu weit. Immerhin hat die Gemeinschaftswährung gestern mit rund. 1,1630 den höchsten Kurs seit September 2018 erreicht. Der recht steile kurzfristige Aufwärtstrend (nun mit Potenzial bis 1,1780) und die gute Ausgangsposition des Euro bleiben indes erhalten, solange nun 1,1450 nicht mehr unterlaufen wird.
Hinweise
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.
Aufgrund eines verlängerten Wochenendes werde ich den nächsten Dollar am Morgen erst wieder per Mittwoch den 29. Juli produzieren können.