Behavioral Living

Weichgespült

am
13. Mai 2013

Als ich vor knapp einem Vierteljahr den Kundendienst rufen musste, weil unsere Spülmaschine ihren Dienst versagte, dachte ich, es würde bei einem Besuch bleiben. Denn das zweifelhafte Reparatur-Vergnügen kostete immerhin 320 Euro, was ziemlich genau an der Grenze dessen lag, was ich als Alternative zur Anschaffung einer neuen Maschine zu bezahlen noch bereit gewesen war. Damals wollte mir der beflissene Monteur – neben der überteuerten Reparatur – auch noch eine Versicherung für künftige Schäden an diversen anderen Maschinen in unserem Haushalt verkaufen. 16 Euro pro Monat sollte der Spaß kosten, aber nur für ausgewählte, nicht für alle unsere Elektrogeräte. Meine innere Behavioral-Economics-Stimme sagte mir seinerzeit: „Tu’s nicht, derlei Versicherungen sind immer zu teuer!“.

Und nun war es doch wieder geschehen. Ein neuer Schaden am erst acht Jahre alten Geschirrspüler. Eigentlich war „nur“ etwas Wasser ausgelaufen, eine kleine undichte Stelle an einem Schlauch, vermutete ich – aber, da ich kein Installateur oder Klempner bin, rief ich noch einmal den Kundendienst an und hoffte, ich würde angesichts der teuren Reparatur vom Januar bestenfalls noch einmal ein paar Euro im zweistelligen Bereich einsetzen müssen.

Das Prozedere verlief wie gewohnt. Eine Woche Wartezeit auf den Monteur von Siemens, wahrscheinlich, damit man schon einmal weichgekocht ist. Als er denn endlich bei uns in der Küche erschien, hatte ich die Kinder gerade so weit, dass sie sich nicht mehr nach jeder Mahlzeit erbittert stritten, wer an der Reihe mit Spülen und Abtrocknen sei, sondern bereitwillig mitzuhelfen begannen. Und damit ich gar nicht erst in Versuchung kommen würde, mich noch einmal auf eine größere Reparatur einzulassen und damit weitere (versunkene) Kosten produzieren zu müssen, bat ich dieses Mal meine Frau statt meiner das Reparatur-Stelldichein wahrzunehmen. Sozusagen, um nicht den Sirenengesängen des Monteurs lauschen zu müssen – entscheiden wollte ich bestenfalls aus der Ferne am Telefon.

 

Ein Quell für Regret: Hätte, würde, könnte

Aber es gab nichts mehr zu entscheiden, denn der Geschirrspüler hatte einen irreparablen Schaden, der Motor war futsch. Zur Reparatur vom Januar kamen nun noch einmal knapp 70 Euro für Anfahrt und Schadensdiagnose des Servicecenters hinzu. Kurzum, in summa lag ich jetzt bei fast 400 Euro und einem Totalschaden. „Hätten Sie doch nur mein Versicherungs-Angebot von damals wahrgenommen“, konnte sich der Monteur meiner Frau gegenüber nicht verkneifen, „dann hätten Sie jetzt schon wieder etwas zurückbekommen!“. Ob dieses „Etwas“ auch den Kauf einer neuen Maschine abgedeckt hätte? – Ich ersparte mir weitere Nachforschungen, aus Rücksicht auf meinen Seelenfrieden, um mir weitere Reuegefühle (Regret) zu ersparen.

Zum Glück war ich nicht selbst anwesend, um unter dem Eindruck des Totalschadens wenigstens für künftige Fälle doch noch eine Reparatur-Versicherung abzuschließen. Und so bekam ich auch nicht mit, wie der Fachmann meine Frau noch mit den Worten und einem Brief des Herstellers in der Hand tröstete: „Wenn Sie das gleiche Fabrikat wieder kaufen, bekommen Sie eine Treueprämie in Höhe von 31 Euro, dann haben Sie meinen Besuch schon wieder zur Hälfte raus!“ Ja, die Hersteller von Elektrogeräten sind auf alle Eventualitäten des Lebens eingerichtet und schaffen es, mit 5 Prozent Eventual-Rabatt am Ende des Montagebesuchs, dass die unangenehme Reparatur-Episode auch noch ein halbwegs versöhnliches Ende findet. Ich jedenfalls hatte genug von mentalen Konten, Sunk Cost und Regret und konnte mir allerdings ein bisschen Selbstbestrafung nicht verkneifen: Hätte ich doch nur gleich eine neue Maschine gekauft und mir wären allerhand psychische und materielle Kosten erspart geblieben!

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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