Investmententscheidungen Märkte Wirtschaft

Wo der Crash tatsächlich entsteht

am
14. Mai 2013

Der DAX erklimmt neue Rekorde. Aber dennoch scheinen viele sich sicher zu sein, dass es irgendwann an den Finanzmärkten krachen wird, und sie wissen auch schon jetzt genau, warum das passieren wird. Eine mögliche Hauptursache, so sagen sie voraus, wird das Zerbrechen der Eurozone sein. Ich kann mich noch daran erinnern, wie vor zwei Monaten das Gerücht die Runde machte, Zypern könne durchaus den Auslöser für einen solchen Zusammenbruch darstellen. Von einem Run auf die Banken nach den staatlich verordneten Feiertagen war die Rede und vom zypriotischen Parlament, das die Eurozone an den Rande des Abgrunds stoßen könne, sofern sich keine Mehrheit für das Spar- und Rettungspaket finden sollte. All dies war medial dramatisch in allen Nuancen ausgekostet worden, und auch in vielen Internetforen wurde dieses Szenario heftig diskutiert. Vielleicht, weil solche Geschichten Angst und Schrecken verbreiten.

Was aber ist seither geschehen? Zyperns Bürger haben nach den Bankfeiertagen vielleicht etwas mehr Geld abgehoben, um aufgeschobene Geschäfte tätigen zu können. Und im Parlament hat sich eine Mehrheit von 29 der 56 Abgeordneten gefunden, damit der Bail-in durchgezogen werden kann. Die Abstimmung fand am 30. April statt; seitdem fahnde ich vergeblich nach größeren Berichten über dieses scheinbar unwichtige Ereignis. Tatsächlich hat sich die Lage in der Eurozone doch merklich entspannt, was sich alleine schon an den niedrigen Anleiherenditen zeigt, die selbst in Problemländern an der Peripherie durchsetzbar sind.

 

Notenbankpolitik drängt zu falschen Entscheidungen

Vielmehr Sorge bereitet mir die Notenbankpolitik, aber nicht nur die der Fed. Die US-Notenbank möchte uns anscheinend auf eine Verminderung der quantitativen Lockerungsprogramme vorbereiten, was am vergangenen Samstag in einem Artikel des vielfach als Fed-Sprachrohr wahrgenommenen Journalisten Jon Hilsenrath im Wall Street Journal deutlich wurde. Dabei scheint sich mancherorts die Ansicht durchzusetzen, die US-Notenbank werde womöglich die monatlichen QE3-Volumina bei jeder ihrer Sitzungen je nach konjunktureller Datenlage um einen bestimmten Milliardenbetrag – vorstellbar wären jeweils zehn oder 20 Milliarden US-Dollar – verringern. Schrittweise sozusagen, um überzogene Reaktionen an den Finanzmärkten, vornehmlich am Aktienmarkt zu vermeiden. Dabei scheint die Fed allerdings das Verhalten der Investoren zu unterschätzen, denn diese neigen naturgemäß dazu, einen einmal eingeschlagenen Pfad für die Zukunft mental fortzuschreiben. Mit anderen Worten: Beim ersten Schritt der Notenbank in diese Richtung wird der entsprechende Betrag für die kommenden Sitzungen einfach extrapoliert. Mit der Folge, dass sich Marktreaktionen an diesen hochgerechneten Beträgen orientieren könnten.

Aber auch die Tendenz der EZB, sich negative Zinsen nicht nur vorstellen, sondern auch in die Tat umsetzen zu können, wie gestern anhand eines entsprechenden Statements des Chefs der Banca d’Italia, Ignazio Visco, deutlich wurde, sollte Anlass zur Sorge geben. Denn eine derartige Notenbankpolitik würde die Anleger noch mehr zu Entscheidungen drängen, die sie ohne dieses künstliche Niedrigzinsumfeld normalerweise nie getroffen hätten. Damit meine ich nicht einmal, dass die Menschen ihr Geld abheben und unters Kopfkissen stecken könnten, obwohl allein schon dies nicht ganz ungefährlich wäre. Vielmehr werden sich Sparer noch stärker auf die Suche nach rentablen Anlagen machen, wobei ihre Bereitschaft, für das Erreichen höherer Renditen höhere Risiken einzugehen, wachsen dürfte. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich das Kapital damit auf einige wenige Anlageklassen konzentrieren könnte, zu denen derzeit hierzulande gar nicht einmal so sehr Aktien, sondern vielmehr Immobilien zählen. Das Ganze erinnert mich an frühere Zeiten, als man mit extrem niedrigen Zinsen in anderen Ländern der Eurozone einen regelrechten Immobilienboom auslöste, unter dessen Folgen man heute dort noch leidet.

Wer sich also vor dem Crash schützen möchte – wenn das überhaupt möglich ist –, sollte zumindest einen Grundsatz beherzigen: Nur jetzt nicht alles auf ein Pferd setzen. Denn den richtigen Gaul, der nachher das Rennen macht, herauszupicken ist und bleibt reine Glückssache.  

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5 Kommentare
  1. Antworten

    Andreas Teufl

    14. Mai 2013

    Ich hoffe mal, dass es zu negativen Zinsen nicht kommen wird, und der Leitzinssatz der EZB von 0,5 % tief genug ist.

    Sollte dann eines Tages der Leitzinssatz sukzessive wieder steigen, hoffe ich dass es nicht sofort zu einem Crash kommt sondern die jeweiligen Zinssteigerungen vorher erwartet werden und so nur zu leichten Dämpfern führen. Natürlich werden die Immobilien (und ev. auch Gold) Preise bei weit weniger Nachfrage (durch höhere Zinsen) teilweise drastisch sinken.

    Unternehmen dürften ja von dem Wirtschaftsaufschwung, der wohl einer Zinserhöhung zuvorkommen müsste, profitieren damit so die Aktienkurse eine Zinserhöhung besser wegstecken könnten.

  2. Antworten

    Marco

    16. Mai 2013

    Ich denke das es gut möglich ist das es bei leichten Zinsanhebungen zu leicht fallenden Aktien- und Immobilienpreisen kommen könnte. Man kann wirklich auch alles in kleinen Schritten kontrolliert regulieren und diese (derzeitige) irrsinnige, viel zu extrem expansive Geldpolitik zu stoppen. Für die Abkehr von dieser Geldpolitik ist wirklich dringend zu raten. ==> Denn es gibt einen bestimmten Zeitpunkt, ab dem, dann die automatisch los-gallopierende (Hyper)Inflation nicht mehr zu kontrollieren ist. Und wie wir alle wissen, nachdem die Hyperinflation war, und wirklich auch jeder sein Geld verloren hat – dann kommt wieder die große Deflation. Nur nützen tut die Deflation dann nur wenig, wenn die ganzen Euros und USD zuvor in der HYPERinflation weg-inflationiert wurden. Mein Tipp: Um mehr Geld in die Südländer zu bekommen, muss ein Duales-Währungssystem mit Nord- und Südstaaten-Euros aufgelegt und installiert werden, nur dann kann es zwei verschiedene Leitzinssätze geben, einhergehend mit verschiedener (dualer, von einander getrennten) Geldpolitik. Für den Norden gibt’s beispielsweise => 1,5 bis 2,5 Prozent Leitzins und für den Süden 0,25 bis 0,5 Prozent. Für einen Nordeuro erhält man dann so gleich 2 Südeuros, das kurbelt die Wirtschaft in den Südländern wieder an und die Börsenmärkte werden dadurch auf wieder attraktiv, eine zusätzliche Überlegung wäre dann (um die negativen Aspekte des Südens, abzumildern) Südliche-Eurobonds und nach Bedarf auch Nordländer-Euro-Bonds aufzulegen, entweder dann mit oder ohne zusätzlichen nationalen Staatsanleihen. Aber so wie es derzeit gemacht wird, kommt es mir eher so vor, das es irgendwo ganz große Profiteure der Eurokrise gibt, die Eurokrise könnte schon längst vorbei sein. Europa kann trotzdem und vor allem (besser gesagt) durch so einen Fortschritt, viel besser, friedlicher zusammen wachsen und fair zusammen arbeiten. Der Süden muss mit seinen eigenen Euro-System (Südeuro) nicht mehr sparen, es kann im Vergleich von zuvorigen Zeiten, immer noch günstig mit einem Südeuropa-Anleihen-Bond (re)finanziert werden und die diversen Wirtschaftszonen und Bürger haben so viel mehr Chancen eine Arbeit zu bekommen um wieder auf die Beine zu kommen und konsumieren zu können.

    Findet bitte endlich eine Lösung, die letzten Jahre, unserer -derzeitigen- Geldpolitik haben klipp und klar gezeigt ==> das es so wie es derzeit gemacht wird – NICHT FUNKTIONIET und auch GAR NICHT FUNKTIONIEREN KANN, wenn man dies als Szenario durchspielt und/oder rechnet.

    Mal sehen ob es durch diese, derzeitige (verrückte) ultra-lockere Geldpolitik zu einer Hyperinflation kommt, um danach in eine Deflation (inklusive Depression) über zu gehen oder ob die Hyperinflation gar nicht kommt und wir direkt in eine Deflation rutschen, da die Gelder der Zentralbanken sowieso nur an den Börsenmärkten festklumpen … wie dem auch sei, zu gegeben die Energie wird wieder teurer und wird dem Bürger viel Geld kosten und kann auch jederzeit, bei zu hohen Energiekosten (für Privat-, den Staatshaushalt und Unternehmen) zu einem Börsen Crash führen. Der letzte Crash war bei cirka 150/155 USD pro WTI/Brent … !!
    Die teuren Energiekosten, werden derzeit, klein wenig umgangen durch die Steigerung bei der Braunkohlenförderung (vor allem in China), wird die Braunkohle jedoch mit rießen Transportschiffen nach Europa und den USA geschifft, wird das auch den Ölpreis in die Höhe treiben (wer weiß wie viel Öl überhaupt noch wirklich da ist und wie teuer das letzte Barrel sein wird)!

    So gesehen können bestimme Güter teurer werden (Inflation) und andere günstiger (Deflation), aber werden die Güter des täglichen Bedarfs zu teuer und auch Unternehmen müssen höhere Kosten in Kauf nehmen, kann (bzw. wird) dies zu einem Börsen-Crash führen.

    Schöne Grüße
    Marco

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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