Wachstumserwartungen und Inflationsängste
Blickt man allein auf die Kursentwicklung von Dollar und Euro während der vergangenen Woche, könnte man fast den Eindruck bekommen, es habe sich nichts getan. Denn der Wechselkurs der beiden hat diesen Zeitraum dort beendet, wo er ihn begonnen hatte. Wenn man indes bedenkt, dass die Handelsspanne immerhin 1,2 Prozent betrug, wird einmal mehr deutlich, dass sich der Dollar derzeit in einer Findungsphase befindet.
Reflations-Narrativ bestätigt
Nun hat das sogenannte Reflations-Narrativ in der vergangenen Handelswoche in den USA neue Nahrung erhalten. Oder müssen wir gar bereits von Inflationsbefürchtungen sprechen, also einer Konsumentenpreisinflation, die, gemessen am Index der privaten Verbrauchsausgaben (PCE) in der Kernrate, jenseits der von der US-Notenbank angepeilten 2 Prozent-Marke liegt? Nun boten die Einkaufsmanagerindices (PMIs) für Februar in der vorläufigen Version (Markit) auf den ersten Blick keine aufsehenerregenden Überraschungen. Der PMI des verarbeitenden Gewerbes entsprach der Median-Schätzung der Ökonomen und derjenige für die Dienstleister fiel etwas besser als erwartet aus.
Die eigentliche Überraschung verbarg sich in der Preiskomponente der Indices, die unmissverständlich deutlich machte, dass die Inputkosten sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor deutlich angestiegen sind. Beim verarbeitenden Gewerbe handelt es sich immerhin um den stärksten Anstieg der Kostenbelastung seit April 2011, bei den Dienstleistern sogar um das höchste Plus seit Oktober 2009 (Beginn der Aufzeichnungen). Es braucht also nicht viel Fantasie, um sich auch einen Anstieg der Verkaufspreise bzw. Inflation vorzustellen.
… aber Arbeitsmarkt gibt zu denken
Allerdings zeigt der Markit-Report auf der anderen Seite, dass der Dienstleistungssektor (im Gegensatz zum verarbeitenden Gewerbe) bei den Neueinstellungen immer noch „zurückhaltend“ ist. Und augenblicklich führe ich mir die fast 10 Millionen Stellen vor Augen, die der US-Ökonomie seit Beginn der Pandemie verlorengegangen sind – Arbeitslose, die selbst mit den Soforthilfen aus dem Stimulus-Programm nicht sogleich und schon gar nicht vollumfänglich als Konsumenten zur Verfügung stehen werden. Denn viele der Betroffenen müssen von dem Geld erst einmal „Pandemie-Schulden“ wie Mietrückstände, gestundete (Privat)-Darlehen etc. zurückführen.
Von der Reflation zur Inflation
Aber die Akteure an den Finanzmärkten scheinen diese fehlende Nachfrage auszublenden und verweisen stattdessen zu Recht auf die US-Einzelhandelsumsätze, die in der abgelaufenen Woche für den Monat Januar mit einem starken Plus vermeldet wurden. Und mancherorts fragte man sich sogar, wie diese Entwicklung aussehen würde, wenn das Stimulus-Programm erst einmal auf den Weg gebracht ist. Von der Reflation zum Inflationsgespenst ist es dann gar nicht mehr so weit. Die US-Anleihemärkte reagierten jedenfalls, und die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen ist in der vergangenen Woche seit dem Tief vom 28. Januar von rund 1,0 Prozent zeitweise über die Marke von 1,35 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt entspricht dies außerdem einem berechneten Anstieg von 26 Basispunkten (vgl. HIER), weswegen der US-Dollar zumindest zeitweise von dieser Entwicklung profitierte.
Warnung der Fed
Bei allem Inflations-Alarmismus und aller Konjunkturpaket-Euphorie sollte jedoch der halbjährliche geldpolitische Bericht der US-Notenbank an den Kongress vom vergangenen Freitag (im Vorfeld der Anhörung von Fed-Chef Jerome Powell am kommenden Dienstag vor Ausschüssen des Kongresses) zu denken geben. Darin warnt die Fed (vgl. HIER und HIER), dass die Preise für Gewerbeimmobilien für starke Rückgänge anfällig seien und auch die Insolvenzrisiken für kleinere und mittlere Unternehmen sowie bei einigen großen Firmen beträchtlich bleiben.
Die Devisenhändler scheinen sich jedenfalls in Sachen US-Inflation noch nicht so richtig festlegen zu wollen. Zumindest gegenüber dem Euro bleibt der Greenback im Großen und Ganzen in einem seitwärts gerichteten Umfeld, wobei die Gemeinschaftswährung einen geringfügig stabileren Eindruck als an den Tagen zuvor macht. Dabei sollte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass technische Analysten nunmehr für den Euro eine „umgedrehte (inverted) Schulter-Kopf-Schulter-Formation“ ausgemacht haben, die mit Überschreiten von 1,2165 komplettiert sei und danach zu steigenden Kursen führen soll. Ob es bei der jüngsten Formation besser mit der Prognose klappt, als bei einer ähnlichen Konstellation vor drei Wochen? Ich halte es derzeit diesbezüglich wie mit der US-Inflation: Warten wir‘s ab.
Hinweis
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.