Gesellschaft Politik

Von der Euro-Krise zur Währungsreform

am
5. Dezember 2011

In den vergangenen Wochen bin ich oft gefragt worden, wie denn der so genannte worst case am Ende einer ungelösten europäischen Schuldenkrise aussehen könnte. Zugegebenermaßen ist dies eine Frage, die ich nicht gerne beantworte. Zumal man aufgrund der vielen verschiedenen Faktoren, die eine Rolle spielen könnten, und der tausendfachen, nicht mehr zu überschauenden Lösungsmöglichkeiten aus heutiger Sicht kaum auch nur ein halbwegs seriöses Szenario mit einer halbwegs großen Eintrittswahrscheinlichkeit konstruieren kann. Seit kurzem fällt immer häufiger der Begriff „Reset“, was man wohl als Forderung nach einem Währungsschnitt oder einer Währungsreform verstehen kann. Eine Maßnahme, die ich in naher Zukunft für wenig wahrscheinlich, aber dennoch für diskutabel halte. Obgleich ein derartiger Schritt bei vielen Menschen Ängste auslöst, allein schon aufgrund der Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern, die davon häufig wie von einem erlittenen Trauma sprachen, taucht dieser Begriff dennoch plötzlich wieder allerorten und in den unterschiedlichsten Kreisen auf. Das Motiv, warum man sich mit derlei Untergangsszenarien beschäftigen möchte, liegt wohl vor allem in dem Bedürfnis begründet, die derzeitige unüberschaubare Lage in der Eurozone endlich mental unter Kontrolle bekommen zu wollen. Mit anderen Worten: Die Ungewissheit soll ein Ende haben. Außerdem sehen die Menschen nicht nur Negatives in einem Neuanfang. Denn bei meinen Gesprächen stelle ich immer wieder fest, dass viele mit einem Reset die Hoffnung auf mehr Fairness, die Wiederherstellung einer gewissen gesellschaftlichen Gerechtigkeit, verbinden.

Dann aber keimt auch wieder die Angst auf, es könne angesichts einer Währungsreform zu sozialen Unruhen kommen, es könnten Demagogen, wie in der Weimarer Zeit, die Verunsicherung zu ihrem Vorteil ausnutzen. Leo Tolstoi hat einmal gesagt – und diese Einsicht hat mich ermutigt – es gäbe keinerlei Lebensumstände, an die sich der Mensch nicht gewöhnen könnte, besonders wenn er sieht, dass alle in seiner Umgebung genauso leben. Mit anderen Worten: Tolstoi hat bereits im 19. Jahrhundert erkannt, dass Menschen sich mit anderen vergleichen und ihre eigene Situation relativ bewerten – eine Erkenntnis, mit der ein wichtiger Rahmen für eine Reform gesetzt werden könnte. Aber man findet immer noch Anhänger der Standardökonomie, die solches nicht glauben möchten. Stattdessen denken sie weiterhin in absoluten Beträgen, bei deren Bewertung das Vermögen der anderen keine Rolle spielt. Diese Vorgehensweise wird indes ständig durch die Realität widerlegt. Mehr noch: Wer das Phänomen des relativen Bewertens ignoriert, riskiert den sozialen Frieden.

Wenn man sich einmal theoretisch mit einem solchen reformatorischen Schritt auseinandersetzt, sollte man immer vor Augen haben, dass Menschen nichts so sehr fürchten wie eine Notlage, in der sie ihre Position gegenüber ihren sozialen Mitstreitern, also Verwandten, Freunden, Bekannten, Nachbarn etc.,  aufgeben oder nach unten korrigieren müssen. Gerade im Augenblick spielt der soziale Status eine enorme Rolle und viele Menschen scheinen geradezu Wettrennen zu veranstalten, nur um gegenüber denjenigen, mit denen sie sich vergleichen können, eine Verbesserung ihrer Position zu erreichen. Oft sind sie sogar dazu bereit, dafür auf nicht messbare Güter wie Glück, Gesundheit oder seelische Ausgeglichenheit zu verzichten, nur um eventuell im Konzert der Statussymbole – sie werden mithin als Positionsgüter bezeichnet – die erste Geige spielen zu können.

Und so kennen wir relatives Bewerten meist nur in einem Kontext eines Weges nach oben. Wie man auf jenen Umstand jedoch etwa im negativen Zusammenhang einer Währungsreform Rücksicht nehmen muss, erfahren Sie Morgen.

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6 Kommentare
  1. Antworten

    Sandro Valecchi

    5. Dezember 2011

    Er glaubt an den Euro. Mit Dr. Helmut Schmidt, Alt-Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, ist die SPD wieder auf Kurs gegangen, hart am Wind, aber mit klaren Kurs in der Sache und in Richtung eines Deutschlands mit Zukunft in Europa. Es ist nicht irgendein Parteitag der SPD, es ist DER Parteitag der Sozialdemokratie in Deutschland und er kommt zu rechten Zeit, inmitten der schwersten Krise in Europa nach Ende des 2. Weltkrieges, freilich begingt durch die schwere, andauernde internationale Finanzkrise, die ganze Staaten und Völker in die Knie zwingt und nun droht, das europäische Haus auseinander zu hauen. „Veni, vidi, vici“ – der Alt-Kanzler schwört die Sozialdemokratie auf das Strategische Interesse Deutschlands an der europäischen Integration ein und erntete dafür stehende Ovationen. „Der Euro ist stärker und stabiler als der US-Dollar“, typisch „Schmidt-Schnauze.“

    Woran glaubt Fr. Merkel? Der politische Kompass ist im politischen Berlin bereits seit Monaten völlig aus der Spur, die Chaostheorie, nicht die Ratio, bestimmt das Handeln oder Unterlassen der politischen Entscheider. Und wieder schließt sich der Negativkreislauf der unglücklichen Geschichte Berlins: Dr. Schmidt erinnert zu Recht an die fatale Deflationspolitik Heinrich Brünings (Zentrumspartei, vom 30. März 1930 bis zum 30. Mai 1932 Reichskanzler). Deshalb berichtete Dr. Schmidt nicht einfach „nur über den Krieg“, wie ein Teil der Berliner Presse heute fälschlicherweise und ehrabschneidend propagandagierte, sondern über den Zusammenbruch der ersten deutschen Demokratie unter Bezugnahme auf fatale Fehlentscheidungen in der großen Weltwirtschaftskrise. Die Sorge von Helmut Schmidt um die Kontinuität der EU-Politik Deutschlands ist jedenfalls im vollen Umfange berechtigt und in der Sache begründet.

    Allerdings liegt einiges nicht mehr im Prädikat seiner Ausführungen und Feststellungen, wenn es beispielsweise darum geht, dass seit dem Jahr 2008 – erster Höhepunkt der Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der Lehman-Bank und dem Kollaps des Interbanken-Handels – „nur relativ wenig getan wurde“, denn wir schreiben zu diesem Zeitpunkt immerhin noch das Zeitalter der „großen Koalition“ und die SPD saß nicht nur mit im Boot, sondern war auch auf der Kommandobrücke des Super-Container-Frachters Deutschland zu finden.

    Prädikatswürdig waren hingegen seine Ausführungen gegenüber den europäischen Partnern und sein Ausblick in die großen, internationalen Zusammenhänge: Vom Lotsen zum Diplomaten avancierte der Alt-Kanzler mit seinem „Appell an das Mitgefühl für Griechenland“ und auch das Lob in Richtung Italien wurde gerne vernommen, als Dr. Schmidt den italienischen Staatspräsidenten Napolitano würdigte, als dieser – Tabula rasa – mit der konsequenten, schnellen Entfernung von Berlusconi aus dem Amt des Regierungschefs Fakten schaffte und mit Prof. Mario Monti eine politische Weichenstellung für die Umsetzung von Konsolidierungsmaßnahmen, bitter nötig in Italien, ermöglichte.

    Die Italiener haben Dr. Schmidt als harten Krisenmanager in Erinnerung, als dieser im Jahr 1974 in seiner Funktion als Bundeskanzler nach Italien reiste und für die Italiener einen Milliardenkredit bereitstellte, freilich gegen Sicherheit – es ging um eine Garantie in Zentralbankgold. Heute rät der Analyst Sandro Valecchi der italienischen Regierung dringend einen Teilverkauf der Goldreserven, mit dem Ziel die enorme Kreditbelastung von 2 Billionen Euro zu senken, damit Italien in Zukunft wieder Kredite zu wesentlichen besseren Konditionen an den Märkten bekommen kann. Mit den zuletzt 7,9% Zinsen, die Italien für Staatsanleihen aufbringen muss, wären dies auf Dauer und im schlimmsten Fall – in der Spitze – eine Gesamtzinsbelastung von etwa 158 Milliarden Euro, gerechnet auf über 2 Billionen Euro Schulden. Eine solche, exorbitant hohe Zinsbelastung kann kein Staat auf Dauer verkraften, deshalb rechnet sich wahrscheinlich eine schnelle Entschuldung.

    Mit seiner Positionsbestimmung – wo steht Deutschland im Jahr 2011 – und wie sieht eine Welt mit einer Bevölkerung von mehr als 7 Milliarden Menschen, Tendenz weiter ansteigend, in Zukunft aus, prognostiziert der Alt-Kanzler den Aufstieg Chinas in Richtung Super-Macht, sowie den Aufstieg Indiens und Brasiliens zu Großmächten. Angepeilt wurde die Marke 2050, ein Jahr mit Themenbezug für die nächste Generation, die ein Zusammenschrumpfen der Wertschöpfungskette für das Jahr 2050 auf unter 10% des Weltanteils verkraften müsste. Für die Export-Super-Macht Deutschland ein Albtraum-Szenario, dass halt eben nur Menschen verstehen, die politischen Weitblick haben und über ein gutes Judiz verfügen. Was allerdings Berlin im Jahr 2011 nicht wirklich interessiert. Deshalb rennt die Berliner Republik auch ständig den Realitäten hinterher, kann längst nicht mehr gestalten, sondern nur noch – mehr oder weniger hilflos – reagieren oder agieren.

    Keine leichte Briese – nein, einen frischen Wind brachte der Hanseat in das verstaubte und gelähmte Berlin mit und richtete zugleich einen Appell an die Jugend: Freiheit und Wohlstand sind keine Selbstverständlichkeiten, sie müssen stets neu erstrebt, erarbeitet und erwirtschaftet werden.

    Eine volle Breitseite hat der Alt-Kanzler auf die Akteure der Banken, Broker, Ratingagenturen und alle Diejenigen geschossen, die „sich unkontrollierte Macht aneignen“ und verblieb anschließend mit seiner Aufforderung an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, sich der Rechte der demokratischen Grundordnung gewahr zu werden und die Initiative zurück zu gewinnen. Deshalb ist Dr. Schmidt so gewinnend für die SPD.

    V.i.S.d.R.
    Sandro Valecchi, Analyst, 10555 Berlin

  2. Antworten

    Alex Quint

    1. Juli 2012

    die Währungsreform wird kommen und der Staat wird sich damit entschulden müssen. Zudem wäre es sehr unklug für ein Land, diesen Weg nicht zu gehen, während die anderen Länder Pleite gehen, sich entschulden und dann ohne diese Lasten einen Wettbewerbsvorteil hätten.
    Da sich dann die Staatsschulden und die Geldvermögen gleichermaßen auflösen, sollte man als Anleger kein Geld haben, wenn die Bombe platzt und die neue Währung kommt.
    Interessant ist eigentlich nur die Frage, wie kann man eine solche Entwicklung in Zukunft vermeiden ? Ich denke, man muss den Banken verbieten Geld zu schöpfen, auch das Zinssystem selbst müsste in Frage gestellt werden und eine Geldvermehrung ohne Arbeit und damit ohne Schaffung neuer Werte müsste unterbunden werden. Da wäre beispielsweise mit einer Golddeckung zu erreichen.
    Allerdings habe ich die Überzeugung, dass die Politiker selbst keine Ahnung haben und sich zudem von den falschen Leuten beraten lassen, den Bänkern und den Proffiteuren dieses Zinssystems. Der Film des Goldschmiedes Fabian sollte als Einstieg dazu helfen …
    Allerdings ist es ja so, dass man sich erstmal fragen sollte, bei wem wir eigentlich alle verschuldet sind.
    Da die Schuld es einen das Guthaben des anderen darstellt, ein Schuldner sich aber nicht unendlich Verschulden kann andererseits aber ein Vermögender unendlich reich werden kann ergibt sich folgendes Bild…

    Durch unser Zinssystem werden Vermögende ohne eigene Arbeit immer reicher, während immer mehr Schuldner mit derer Arbeit dem Vermögenden die ständig steigenden Zinszahlungen erwirtschaften müssen.
    Zum Schluss gibt es wenige Superreiche und viele Schuldner, die quasi anonym versklavt wurden und es noch nicht einmal merken, weil sie das System nicht durchschauen.
    Die Superreichen haben aber die Macht und die Mittel Ihren Status zu bewahren. Wie kann es denn sein, dass in Deutschland das Zinseinkommen geringer besteuert wird, als das Areitseinkommen. Da hat sich doch die Mehrheit der Politiker von den falschen Menschen, den Banken und einflussreichen Reichen beraten lassen.
    Sichtbar wird aber auch, dass dieses Zinssystem, das zwangsläufig langfristig viele Schuldner versklavt und wenige Reiche noch reicher macht, zu tiefst undemokratisch ist. Sollten die Verhältnisse nicht so sein, dass der Mehrheit entsprochen wird?
    …..
    Das erstmal zu kapieren, hat bei mir 46 Jahre gedauert, ich glaube aber die meisten verstehen es nie.
    Das Zinssystem braucht Wachstum auf einer Begrenzten Erde, das schlicht nicht auf Dauer geht.
    aus gutem Gründe war es in zahlreichen Religionen verboten.
    ……
    Beweis : legen sie bitte 1 Eurocent von Jesu Geburt bis heute mit einen Zinssatz von 5% an und setzen sie das Ergebnis zum heutigen Kurs in Gold um und vergleichen Sie das Gewicht des Goldwertes mit dem Gewicht der Erde…… N A C H R E C H N E N !!!
    ……
    Mit den mathematischen Kenntnissen eines 7-Klässlers ist damit bewiesen, dass das Zinssystem nicht funktionieren kann. Aber das wird uns ja nicht gelehrt. Absicht?
    ……
    Diese Entdeckung oder besser Erkenntnis hat mir zu einem völlig neuen Weltbild verholfen und ich hoffe, dass sich viele damit vertraut machen und sich gegen diese Art der Ausbeutung wehren. Dies ist keine Weltanschauung oder gar Politik, sondern eine Naturwissenschaft, hier die Mathematik. allerdings kann man wirklich keinen einzigen Politiker oder Bänker ernst nehmen, der diesen Tatsachen zu wider handelt, sie ignoriert oder nicht kennt.

    Wert kann also auf Dauer nur ein Gut besitzen, welches sich nicht unendlich vermehren lässt. Sei es Gold, Silber, Immobilien, Land oder dergleichen. Geld selbst hat keine Wert, schade, dass wir es gesetzlich erzwungen als solchen anerkennen müssen. In jedem Falle kann sich ein Anleger nur vor einen Erheblichen Verlust schützen, wenn er ist Sachwerte investiert. Die Superreichen werden das sicher schon tun und dafür sorgen, dass der gemeine Pöbel es nicht tut, damit die Preise für Sachwerte jetzt noch nicht all zu sehr steigen, jetzt wo die Superreichen Ihr Geld loswerden müssen.

    Die Bombe, die wir noch immer kräftig aufblasen, sie wird Plätzen, das ist völlig klar.
    Alex Quint, Vermögensberater und Euroskeptiker

  3. Antworten

    Alex Quint

    11. August 2012

    Um das gesamte Problem mit dem Euro und dessen Zusammenbrechen darzustellen, habe ich eine Website gebastelt, auf die ich gerne hinweisen will. http://Euro-Skeptiker.de

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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