Behavioral Living Politik Wirtschaft

Violettes Schwarzgeld

am
1. September 2010

Wurde vor einigen Wochen Zeuge, wie eine junge Dame in einem Frankfurter Lebensmittelmarkt  ein Viertel Butter und 10 Eier kaufte und diese mit einem 500-Euro-Schein bezahlte. Der Kassierer schien etwas verdutzt, ließ sich aber schnell beruhigen, als sich herausstellte, dass die Banknote aus einem gerade getätigten Autoverkauf und nicht aus dem unweit entfernten Sport-Wettbüro stammte.

Ich möchte mich jetzt nicht darüber auslassen, warum es immer noch diese Art von Wettbüros gibt und warum man sie nach all den Schiebereien im internationalen Fußball nicht schon längst geschlossen hat. Vielmehr dachte ich darüber nach, wann ich überhaupt zum letzten Mal jemanden mit einem 500-Euro-Schein habe zahlen sehen – es muss mindestens ein Jahr her gewesen sein. Wo es doch schon manche Menschen als obszön empfinden mögen, wenn jemand seine Rechnung an der Tankstelle mit einem gelben 200er begleicht.

Vorschlag: Warum nicht einfach die 500-Euro-Noten aus dem Verkehr ziehen? Und zwar kurzfristig. Die ehrlichen Privatleute, die ihr Geld angesichts der Finanzkrise unter der Matratze versteckt haben, würden dann natürlich etwas Arbeit haben, um das Geld von ihrer Hausbank in eine kleinere Stückelung wechseln zu lassen. Genauso wie Gewerbetreibende oder Handwerker, die vielleicht den Bestand ihrer schwarzen Kassen umtauschen müssten. Um jenen Personenkreis geht es aber nicht wirklich.

Tatsächlich befinden sich solche violetten Banknoten im Gegenwert von 283 Mrd. Euro im Umlauf. Sie machen einen großen Teil der Zahlungsströme in der Unterwelt aus, die sicherlich nicht ohne Probleme ihr zu Unrecht erworbenes Geld zumindest in Scheine wechseln müssten, deren Transportgewicht allein sich in Zukunft etwa verdoppeln würde. Immerhin geht die britische Polizei davon aus, dass neun von zehn umlaufenden 500er-Noten in irgendeiner Form aus Kapitalverbrechen, Terrorismuskassen und Steuerhinterziehung stammen.

Aber nun zu den ökonomischen Vorteilen: Diejenigen, die ihre 500er aus irgendwelchen Gründen nicht zur Bank bringen wollen, hätten bis zum Verfallsdatum dieses Geld zu verbrauchen. Was den Einzelhandel in Europa in Schwung bringen und somit dem Staatssäckel beachtliche Mehrwertsteuergewinne bescheren könnte. Ein Teil des Geldes würde jedoch für immer versteckt bleiben. Verbindlichkeiten, die von den europäischen Regierungen abgeschrieben und anderweitig verwendet werden könnten. Selbst wenn es sich dabei nur um 10 Prozent handeln würde, wäre davon schon ein Viertel des Rettungsfonds für Griechenland bezahlt. Warum packen wir’s nicht an?

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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