Dollar am Morgen

Trump gibt sich spendabel

am
8. Oktober 2020

EUR USD (1,1765)       Wer gestern das Geschehen an den Aktienmärkten allein aufgrund der Kursentwicklung hätte beurteilen müssen, wäre zumindest, was die Aktien der Eurozone angeht, kaum auf die Idee gekommen, dass in der Nacht zuvor so etwas Bedeutsames wie die Verhandlungen zum nationalen Stimulus-Paket von US-Präsident Donald Trump abrupt beendet worden waren. Aber selbst die US-Märkte, die zu jener Zeit unglücklicherweise geöffnet waren, machten gestern die entstandenen Verluste wieder wett. Denn nur Stunden nach Trumps „Abbruchsanweisung“ ruderte der Präsident scheinbar zurück, als er sich für einen separaten Gesetzentwurf („Stand Alone Bill“) stark machte, damit er noch vor dem Wahltag Stimulus-Schecks in Höhe von 1.200 USD pro Person höchstpersönlich unterschreiben könne. Dieser zweckgerichtete Gesetzentwurf, der im Prinzip nur einen geringen Teil des Stimulus-Pakets ausmachen würde, soll außerdem 160 Mrd. USD für die krisengeschüttelten Fluglinien und kleinen Unternehmen umfassen.

 

Psychologischer Schaden unübersehbar

Selbst wenn sich nun die Aktienmärkte gestern erholt haben, ist der psychologische Schaden, den Donald Trump angerichtet hat, unübersehbar. Ganz besonders, wenn man bedenkt, dass sich Fed-Chef Jerome Powell vorgestern, ein paar Stunden vor der Entscheidung Trumps, geradezu hilfesuchend an die Fiskalpolitik gewandt und sich für ein möglichst schnelles Stimulus-Programm ausgesprochen hatte.

Aber auch das Protokoll der vergangenen Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), das gestern publiziert wurde, zeigt, dass viele seiner Mitglieder als Basis ihrer Prognosen mit einem weiteren Stimulus-Programm in diesem Jahr rechneten. Und so gibt es nicht wenige Kommentatoren, die Trumps Chancen auf eine Wiederwahl ähnlich schwinden sehen wie die Chancen auf ein Rettungspaket noch vor dem Wahltag. Denn Millionen von arbeitslosen US-Amerikanern laufen nun Gefahr, ohne die dringend benötigten staatlichen Hilfen vor dem wirtschaftlichen Nichts zu stehen.

 

Stimulus-Paket kommt, aber erst viel später

Dabei wird allerdings völlig übersehen, dass viele Finanzmarktakteure noch vor gut einer Woche ohnehin nicht mehr an einen Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern bis zum Wahltag geglaubt haben. Denn für eine Übereinkunft wäre der zeitliche Rahmen bis dahin wahrscheinlich ohnehin zu knapp gewesen. Dies mag auch ein Grund sein, warum die Teilnehmer an den Finanzmärkten von Trumps Alleingang nicht wirklich beeindruckt waren. Tatsächlich haben sich nicht wenige Akteure gefragt, ob Trump noch ganz bei Sinnen war oder unter dem Einfluss der schweren Covid-19- Medikamente stand, als er sich zu besagter Volte entschied. Nun wird das Stimulus-Paket wahrscheinlich bis zum ersten Quartal des kommenden Jahres warten müssen. Nicht zuletzt, weil sich nach dem Wahltag erst einmal eine neue Regierung konstituieren muss.

Mit der Erholung der Aktienmärkte am gestrigen Handelstag bildete sich auch der US-Dollar wieder etwas zurück und verhalf dem Euro zu einer kleinen Erholung. Ohnehin bleibt die Gemeinschaftswährung oberhalb von 1,1685/90 stabil – ein kurzfristiger Aufwärtstrend würde allerdings erst nach Überschreiten von 1,1855/60 eingeläutet.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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