Dollar am Morgen Märkte

Senkrecht aufwärts: Die I-förmige Erholung

am
16. Juni 2020

EUR USD (1,1345)             Den gestrigen Tag haben viele Devisenhändler wohl eher als ereignislos verbucht, vor allem wenn man die Entwicklung des Euro zum US-Dollar betrachtet. Dennoch konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die anfängliche Risikoaversion der Aktienhändler nicht so recht im Euro-Kurs niederschlagen wollte. Hatten die hiesigen Aktienmärkte nach einem ersten Schwächeanfall ihre Kursverluste während der europäischen Handsitzung so gut wie wettgemacht, präsentierte die Gemeinschaftswährung sogar ein kleines Tagesplus. Und diese positive Tendenz setzte sich auch über Nacht und heute früh in Fernost fort. Tatsächlich bleibt der kurzfristige Trend aufwärts gerichtet (in Richtung 1,1485) und im Falle von Rücksetzern dürfte sich die beste Nachfrage um das Niveau von 1,1145 herum konzentrieren.

 

Eine angemessene Korrektur der Aktienmärkte

Und so hatte es fast den Anschein, als stünde gestern für die Teilnehmer an den Aktienmärkten mehr auf dem Spiel. Zumal die vergangene Woche an Wall Street mit dem größten Wochenverlust seit dem Höhepunkt der Corona-Panik im März beschlossen worden war. Außerdem haben sich die Akteure angesichts der wenig veränderten Nachrichtenlage hinsichtlich einer möglichen zweiten Welle der Corona-Epidemie anfangs eher auf dem Rückzug befunden. Mag sein, dass auch die sozialen Unruhen in den USA vom Wochenende hierzulande anfänglich zu Besorgnis geführt haben. Aber tatsächlich zeichnete sich für viele Kommentatoren und Händler deutlich ab, dass die Korrektur der Aktienmarktrallye, die beispielsweise den DAX vorübergehend rund 10 Prozent (gerechnet vom Höhepunkt der vergangenen Woche) seines Wertes gekostet hatte, eigentlich überfällig und angemessen war.

 

Kein anhaltendes Schockmoment

Dabei fällt auf, dass die Nachrichtenlage gar nicht dazu geeignet war, den Investoren – abgesehen von einem montäglichen frühen Schock zur Marktöffnung – einen nachhaltigen Schrecken einzujagen. Auch finde ich es interessant, dass die Überquerung der 200-Tage-Linie beim DAX und auch beim S&P 500 US-Aktienindex von oben nach unten bei den Kommentatoren anders als sonst üblich dieses Mal nicht für Alarmstimmung sorgte.

Stattdessen konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Gros der Akteure eher nach Kaufniveaus suchte, um so noch verspätet an einer möglichen Fortsetzung der fast drei Monate anhaltenden Erholungsrallye teilnehmen zu können. Gut möglich sogar, dass von den vielen Pessimisten, die wir etwa bei der Stimmungsumfrage der Börse Frankfurt am vergangenen Mittwoch ausgemacht hatten, der eine oder andere froh war, den Einstandspreis seiner während der vergangenen drei Wochen eingegangenen Short-Position bzw. Absicherung wiederzusehen und somit durch Rückkäufe die schal gewordenen Engagements mit halbwegs heiler Haut zurückdecken zu können.

 

Ich kaufe ein I

Offen gesagt ist mir bei solchen Bilderbuchszenarien nicht besonders wohl, bei denen – zumindest erwecken einige Kommentare des gestrigen Handelstages diesen Eindruck – das Gros der Marktteilnehmer die Korrektur der „überzogenen“ Rallye haben kommen sehen und genügend Zeit hatten, um als Käufer zu halbwegs „vernünftigen“ Kursen aktiv zu werden. Vermutlich werden die fortwährenden Mutmaßungen über eine mögliche zweite COVID-19-Welle schon mit sinkendem Interesse wahrgenommen. Und auch wenn man den gestrigen Auftritt des ökonomischen Chefberaters von US-Präsident Donald Trump, Larry Kudlow, für Wahlkampfrhetorik halten mag, vermittelte er in einem TV-Interview gegenüber Fox News den Eindruck, dass die Lage in Sachen Corona-Krise unter Kontrolle sei. Und es mag den gestrigen Käufern willkommen gewesen sein, dass Kudlow in seinen Ausführungen nicht von einer V-förmigen Erholung der US-Wirtschaft ausging, sondern sogar einen massiven Sprung, eine bislang mir nicht bekannte sogenannte „I-shaped recovery“ (eine I-förmige Erholung) prognostizierte.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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