Dollar am Morgen Märkte

Bullish wider Willen

am
17. Juni 2020

EUR USD (1,1270)             Gestern war es wieder einmal so weit: Die Bank of America veröffentlichte ihre monatlich erscheinende Fondsmanager-Umfrage. Wohl gemerkt, die Umfrageergebnisse sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung schon fast eine Woche alt, denn die Erhebung fand bereits zwischen dem 5. und 11. Juni statt. Wie immer bot dieses Stimmungsbild wertvolle Einblicke in die gerade aktuelle Befindlichkeit der Fondsmanager, die sich am besten mit dem Motto „Bullish wider Willen“ beschreiben ließe. Und wenn die Bank in ihrer Analyse von einem brüchigen, nahezu neurotischen, aber keinesfalls gefährlichen Optimismus spricht, zeigt dies, in welch komplizierter Seelenlage sich die Fondsmanager befunden haben müssen, als sie ausgerechnet am vermutlichen Höhepunkt der Aktienrallye der vergangenen drei Monate befragt wurden.

 

Aktienmärkte gelten als dramatisch überbewertet, …

Denn 78 Prozent der Investoren halten die Aktienmärkte für überbewertet – das ist der höchste Prozentsatz seit dem Jahr 1998. Gleichzeitig ging allerdings die Kassenquote seit der Mai-Befragung von 5,7 auf 4,7 Prozent zurück. Das dabei freigesetzte Geld ist natürlich den Aktienmärkten zugutegekommen. Und wenn man bedenkt, dass die Aktienengagements der Hedgefonds-Manager im gleichen Zuge von netto 34 auf 52 Prozent angezogen und damit den höchsten Stand seit September 2018 erreicht haben, könnte man durchaus von Umständen sprechen, die bei den befragten Investoren für kognitive Dissonanzen gesorgt haben dürften. Zumal nach wie vor nur ein kleiner Teil (18 Prozent, im Vormonat waren es 10 Prozent der Befragten) an eine von Ökonomen verfasste Story glaubt, die die jüngste Aktienmarktrallye rechtfertigen würde: die Fiktion von der V-förmigen Erholung der US-Ökonomie. Mehr als die Hälfte beschreiben die massiven Kursgewinne an den Aktienmärkten immer noch als Rallye in einem Bärenmarkt.

 

… internationale Investoren kauften trotzdem

Dennoch waren die Investoren insgesamt zum ersten Mal seit Februar dieses Jahres in Aktien übergewichtet. Auch stellt die Gefahr einer zweiten COVID-19-Welle immer noch das größte Extrem-Risiko bei den Befragten dar. Die Umfrageergebnisse zusammengenommen legen eigentlich nur einen Schluss nahe: Diejenigen, die tatsächlich ihre Kassenbestände verringert und dieses Geld in die Aktienmärkte gesteckt haben, taten dies mehrheitlich wahrscheinlich nicht, weil sie aus freien Stücken und zutiefst überzeugt über Nacht bullish geworden wären. Sondern weil sie gezwungenermaßen bullish werden mussten. Denn eine bearishe Positionierung wurde – obwohl fundamental und rational durchaus vertretbar – aufgrund der immer weiter anziehenden Aktienkurse schlichtweg zu teuer.

 

aber nicht aus freien Stücken

Ganz nebenbei bemerkt haben sich diese Käufe nicht etwa primär im US-Aktienmarkt abgespielt. Denn der Prozentsatz derjenigen Fondsmanager, der nach eigenen Angaben dort übergewichtet ist, hat sich mit netto 22 Prozent sogar gegenüber dem Vormonat geringfügig verringert. Stattdessen waren Papiere der Eurozone gefragt – dabei hatten wir im Vormonat noch eine Untergewichtung bei per Saldo 17 Prozent der Fondsmanager notiert. Im Juni gaben nämlich netto 7 Prozent der Befragten an, nunmehr in der Eurozone übergewichtet zu sein. Eine Verschiebung, die ich übrigens bereits vor drei Wochen (HIER) anlässlich einer Sentiment-Erhebung der Börse Frankfurt vermutet hatte.

 

Euro hält nicht mit

Während die Aktienmärkte jenseits des Atlantiks zur Eröffnung mit einem satten Plus aufwarteten, konnte der Euro im weiteren Verlauf des gestrigen Handelstages überhaupt nicht mithalten und musste sogar eine deutliche Einbuße hinnehmen. Teilweise las ich von plötzlich gestiegener Risikoaversion (Nordkorea, gestiegene COVID-19-Zahlen in den USA und China etc.). Indes: Die Hauptbewegung zugunsten des US-Dollar ereignete sich zeitgleich mit den bedeutend besser als von den Ökonomen im Mittel erwartet ausgefallenen US-Einzelhandelsumsätzen. Oder war es das Humphrey Hawkins Testimony, die turnusmäßig halbjährlich stattfindende Anhörung von Fed-Chef Jerome Powell (gestern vor dem Bankenausschuss des US-Senat), die zur Stärkung des Greenback beitrug? Wie auch immer: Der Dollar machte seinen Schwächeanfall vom Vortag gestern vorübergehend fast wieder wett. Und der Euro verlor wertvolles Momentum in seinem kurzfristigen Aufwärtstrend, den wir derzeit zwischen 1,1110/15 und 1,1490 verorten.

 

Hinweise

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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