Nur ein Ausrutscher?
Sie kam nahezu aus dem Nichts: die recht deutliche Korrektur an den Aktienmärkten jenseits, aber auch diesseits des Atlantiks am gestrigen Handelstag. Der hiesige DAX markierte mit rund 2,5 Prozent immerhin den bislang größten Tagesverlust in diesem Jahr. Eine Reaktion, die natürlich einen Kontrast zu der engen Handelsbandbreite seit gut einem Monat darstellte. Tatsächlich waren die Akteure auf der Suche nach einem plausiblen Grund für den Rücksetzer der Aktienkurse und konnten diesen – abgesehen von „Gewinnmitnahmen“ – eigentlich zunächst nicht finden.
Aber zum Glück gab es ja die US-Finanzministerin Janet Yellen, die gestern mit einem Statement für Furore sorgte. Denn Yellen räumte in einem Interview ein, dass die US-Zinsen möglicherweise etwas steigen müssten, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern. Sicherlich betonte Yellen, dass der Zinsanstieg sehr bescheiden sein werde – aber der „Schaden“ war angerichtet. Und der Grund für die deutliche Korrektur an den Aktienmärkten wurde so zumindest mit einiger Verspätung nachgeliefert.
Zinsanstieg nicht ganz unrealistisch
Man kann sich natürlich fragen, was die Finanzministerin geritten haben mag, ein derartiges Statement loszulassen. Ein Statement, das die jüngste Botschaft der US-Notenbank auf den ersten Blick eigentlich untergräbt. Die hatte nämlich gelautet, man würde angeblich noch nicht einmal daran denken, einen geldpolitischen Richtungswechsel überhaupt zu diskutieren. Wo doch Janet Yellen nachgesagt wird, sie habe als dessen Vorgängerin einen engen Kontakt zu Fed-Präsident Jerome Powell. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch zu bedenken, dass Janet Yellen vermutlich überhaupt nicht die Leitzinsen gemeint haben dürfte oder sich für eine Anhebung derselben stark gemacht hat.
Vermutlich wollte die Finanzministerin lediglich andeuten, dass der starke fiskalische Stimulus zwar einerseits die Wirtschaft überhitzen könne, andererseits aber die erforderliche erhöhte Emission von Staatsanleihen zur Finanzierung der entsprechenden Programme zu einer Erhöhung der Zinsen am langen Ende der Zinskurve führen könnte. Diese Schlussfolgerungen muss man fairerweise als realistisch bezeichnen; man sollte auch nicht den Fehler machen, die Äußerungen Yellens als Ausrutscher zu interpretieren.
Gewöhnungsprozess hat begonnen
Nun ist Janet Yellen nicht Jerome Powell, aber es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, was passiert wäre, wenn ähnliche Worte aus dem Munde des Notenbankpräsidenten gekommen wären. Auf der anderen Seite muss man auch den Realitäten ins Auge blicken, denn die Diskussion um ein mögliches Tapering ist seitens der Fed zumindest offiziell in die Zukunft verschoben worden. Offenbar haben viele Akteure bereits das (virtuelle) Treffen der Notenbanker in Jackson Hole Ende August für den Beginn einer derartigen Diskussion auserkoren. Indes: Wie ich bereits gestern (HIER) ausgeführt habe, hat das Tapering-Gerede längst angefangen. Zumindest wissen die Akteure, dass Jerome Powell eines Tages diesbezüglich etwas unternehmen muss, was ihnen nicht gefallen wird. Und der Gewöhnungsprozess daran hat möglicherweise bereits begonnen.
Betrachtet man indes die Reaktion des Dollar auf die gestrigen Ereignisse, so muss man diese als bescheiden bezeichnen. Auch der Euro blieb fast störrisch an der runden Marke von 1,20 hängen. Wahrscheinlich auch, weil die Schwäche der Gemeinschaftswährung im Rahmen ihres kurzfristigen Aufwärtstrends derzeit nur korrektiver Natur sein dürfte. Damit bleibt das beste Nachfrageniveau derzeit bei 1,1975/80, während auf der anderen Seite für ein Wiedererstarken des Aufwärtsmomentums 1,2090/95 überwunden werden müsste.
Hinweise
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.