Mutter kauft Brötchen
Auch im Norden Deutschlands kann man gut rechnen, habe ich in einem Bäckerladen nahe der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins erfahren müssen. Eigentlich war das Procedere wie immer, wenn ich im Hause meiner Schwiegereltern weilte, mein Frühstückseinkauf für die Familie war quasi standardisiert: Acht Naturies, vier Mohnbrötchen und drei Laugenstangen. Nachdem die Verkäuferin das Backwerk eingetütet hatte, flötete sie: „Heute gibt‘s für vier Naturies eins gratis“ Tolle Aktion, dachte ich, blickte auf meinen mittleren Leibesbereich und überlegte, wer wohl die beiden Gratisbrötchen essen solle – ich zumindest nicht. Aber nur, weil es etwas umsonst gibt, die Brötchen mitnehmen und am Ende sogar wegwerfen müssen? Nein, selbst heimlich (dann wäre es zumindest keine Abweichung von der gesellschaftlichen Norm gewesen) hätte ich sie nicht verschwinden lassen.
Die Verkäuferin bemerkte mein Zögern und fragte ihre Kollegin, ob es nicht eine andere Verrechnungsmöglichkeit gäbe. „Zieh ihm eins ab!“ entgegnete das Gegenüber, wohl im Range einer Thekenchefin. Der Preis nur eines Brötchens sollte verrechnet werden, wo ich doch zwei gratis für den Kauf von acht bekommen hätte? „Sind es denn nicht zwei, die Sie mir abziehen müssten?“ wandte ich ohne nachzudenken ein. Die Reaktion der Chefin kam postwendend: „Sie sollen ja die Brötchen essen und nicht das Geld!“
Auf dem Weg nach Hause rechnete ich nach und mir wurde peu à peu der Unterschied zwischen „gratis“ und einem Rabatt bewusst. Aber auch ein komische Gefühl, das in mir nagte. Ja, zwei von zehn Brötchen sind tatsächlich 20 Prozent und bezogen auf acht wären das immer noch 1,6 Brötchen…
Eigentlich wollte die Bäckerei mit ihrer Werbeaktion doch nur Gutes bewirken, vielleicht mit dem Hintergedanken, den Umsatz durch die Abgabe von Gratisbrötchen anzukurbeln. Oder zumindest die Kundenbindung durch diese Maßnahme zu erhöhen. Aber was hätte ich besser machen können? Hatte ich nicht richtig entschieden, wenn ich die reduzierte Brötchenrechnung akzeptierte, statt Lebensmittel wegwerfen zu müssen, nur weil sie umsonst zu bekommen waren? Dennoch blieb durch die ganze Rechnerei ein dissonanter Nachgeschmack. Vielleicht hätte ich besser einen Laden aufsuchen sollen, wo es gerade keine Werbeaktion gab. Dann hätte ich immerhin mit dem Glück des Ahnungslosen unbelastet mein Frühstück genießen können, statt diesen Blog zu verfassen.
Eurous Oe.
Ein lustiger und interessanter Artikel. Genau diese oder ähnliche Gedanken plagen mich bei solchen Aktionen auch immer… toll auf den Punkt gebracht!
Tipp: Notfalls kann man überzählige Brötchen auch einfrieren oder einfach am nächsten Tag mit dem Toaster aufbacken! 😉
Mutter
Vielen Dank für die Blumen. Und vielen Dank für den Tipp. Leider mag ich keine aufgewärmten Brötchen…