Behavioral Living Politik Wirtschaft

Ein Fall von Umverteilung

am
29. Juli 2010

Kreditkartenunternehmen tragen gemäß einer Studie der Federal Reserve Bank of Boston erheblich zur Umverteilung des Vermögens in der Gesellschaft bei. Allerdings nicht von den Reichen zu den Armen, sondern umgekehrt. Denn die Kartenunternehmen belasten zum einen die Einzelhändler, die ihre Karten akzeptieren, teilweise mit saftigen Gebühren. Im Gegenzug profitieren davon die Karteninhaber, weil sie interessante Angebote und Bonusprämien wie Vielfliegermeilen erhalten. Der Einzelhandel wiederum holt diese Kosten über höhere Preise  herein, wobei alle Konsumenten, ob sie nun mit Karte oder bar bezahlen, gleichermaßen belastet werden. Von den Vorteilen bekommen letztere allerdings nichts zu spüren. Es sei denn, sie versuchen – quasi unter dem Ladentisch – den Kaufpreis der Ware um ein paar Prozente herunterzuhandeln. Am Ende, so die Studie, subventionieren die Barzahler die Kreditkartenkunden. Was aber noch schlimmer ist: Die Mehrheit der Barzahler wird von Menschen mit niedrigem Einkommen gestellt. Anders ausgedrückt: Die Armen subventionieren die Reichen.

Aber solche Umverteilungen sind viel verbreiteter als dies der Federal Reserve Bank of Boston bewusst sein mag. Bei meinem Kreditinstitut hängen nämlich die Kontoführungsgebühren vom monatlichen Habenumsatz ab. Jene sind nämlich kostenlos, sofern ein Mindestvolumen nicht unterschritten wird. Ansonsten müsste ich eine feste, geringe Gebühr entrichten. Und auf größere Guthaben gibt es sogar Zinsen. Jahresgebühren für eine Kreditkarte? Kenne ich nicht, weil mein Jahresumsatz hoch genug ist. Sie werden mich hoffentlich nicht fragen wollen, wer das alles bezahlt.

Zur Lösung dieses Problems schlägt die Federal Reserve Bank of Boston übrigens vor, die Kreditkartenunternehmen sollten ihre Incentives für Kunden verringern, so dass auch die Gebühren für den Einzelhandel niedriger ausfallen könnten. Die Folge: Geschäfte könnten ihre Preise senken wovon die Konsumenten am Ende profitieren würden.

Aber die Kreditkartenunternehmen müssten letztlich erhebliche Gewinneinbußen hinnehmen und ohne richtige Anreize und Bonuspunkte würde vermutlich auch die Einkaufslaune der Karteninhaber rapide in den Keller gehen. Was könnte man also sonst noch tun? Unterschiedliche Preise im Einzelhandel, getrennt nach Barzahlern und Kreditkarteninhabern? – Kann man sofort vergessen, weil letztere nicht einsehen würden, warum nur sie für ihre Einkäufe plötzlich mehr bezahlen sollten. Dabei geschieht dies doch jetzt schon jeden Tag. Nur wird dieser Verlust eben nicht wahrgenommen, weil er in den Preisen der Waren bereits inbegriffen ist (Integration). Aber die Kartenzahler würden natürlich auch aufschreien, wenn sich ihre Jahresgebühr zwecks Kostendeckung auf einmal erhöhen würde.

Am Ende bleibt leider eine nüchterne Erkenntnis. Egal was jemand dagegen unternehmen  mag, um diese Art der Umverteilung von arm nach reich zu verringern – die Kreditkartenunternehmen würden die Leidtragenden sein, im Extremfall verschwänden sie sogar von Bildfläche. Am Ende könnte man tatsächlich zum Schluss kommen, eigentlich begünstigten Kreditkartenunternehmen diese Art der Einkommensumverteilung. Oder ist letztere gar Basis des ganzen Geschäftsmodells?

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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