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13. März 2012

Ich bin oft gefragt worden, ob man materiellen Reichtum – sofern man ihn besitzt – herumzeigen soll oder nicht. Offen gesagt, rate ich eher dazu, die Insignien des Wohlstands, also Statussymbole oder so genannte Positionsgüter, so weit wie möglich zu verbergen. Dabei geht es mir weniger darum, dass Neider einem möglicherweise diese Güter nicht gönnen könnten. Vielmehr zeigen bestimmte Güter den eigenen sozialen Rang an, das heißt, es geht im Zweifel nicht um einen absoluten, sondern um einen relativen Vorsprung oder auch Nachteil gegenüber anderen. Und da nicht alle das schönste Haus, das schnellste Auto oder die höchste berufliche Position haben können, ist die so genannte Positions-Ökonomie ein Null-Summen-Spiel, bei dem die einen gewinnen und andere zwangsläufig verlieren müssen. Im Extremfall gewinnt sogar nur einer, und alle anderen verlieren. Dabei kommt es fast zwangsläufig zu manchmal sinnlosen Wettbewerben, bei denen die Verfolger versuchen, den Abstand zur Spitzenposition zu verringern oder diese gar zu überholen.

Aber nur sichtbare Positionsgüter heizen den Wettbewerb um Status und Sozialprestige an. Wer hingegen auf das Herumzeigen von Statussymbolen verzichtet, entzieht sich diesem Wettrüsten, weil die anderen dann nicht daran den eigenen Rang ablesen können und also nicht in Versuchung geraten, einen etwaigen Vorsprung aufholen zu wollen.

Trotzdem war ich erstaunt, als ich in der jüngsten Ausgabe von n-tv Deluxe (Sie wissen schon, „Hallo, liebe Milliardäre“, meine „Lieblingssendung“, auch wenn ich nicht zu deren Zielgruppe zähle) erfuhr, dass neuerdings – möglicherweise in Anlehnung an das in Deutschland mittlerweile beliebt gewordene Carsharing oder die studentischen Mitfahrzentralen – reiche Geschäftsleute nicht mehr alleine mit dem Privatjet durch die Weltgeschichte fliegen, sondern sich per Makler immer wieder neue Mitreisende suchen. Dabei lässt sich der Vermittler gleich einmal 30 Prozent Provision für jeden vermieteten Sitzplatz im Lear-Jet bezahlen. Dennoch gilt natürlich auch beim Jet-Sharing: Je mehr mitmachen, desto günstiger wird der Trip für den einzelnen, manchmal kostet der Flug dann nicht viel mehr als ein ordinäres Ticket in der Business Class. Da könnte man fast meinen, die Wohlhabenden dieser Welt müssten neuerdings auf den Euro achten. „Mitnichten“, werden Kapitalismuskritiker an dieser Stelle sicher einwenden. Denn man braucht nur einmal auf die Einkommensentwicklung in den USA im Jahr 2010 zu blicken, um sofort zu erkennen, dass das oberste Zehntausendstel der amerikanischen Gesellschaft von der konjunkturellen Erholung wieder einmal deutlich stärker profitiert hat als die restlichen 99,99 Prozent[1].

Umso interessanter wäre es, wenn sich dieser neue Trend, auf das Positionsgut „Privatjet“ zu verzichten, durchsetzen würde. Sollten die Superreichen beim Pendeln zwischen den Hot-Spots, In-Locations und Nobelherbergen dieser Welt künftig soziale Fluggemeinschaften bilden, dann würde nicht nur die Umwelt davon profitieren. Vielmehr käme man sich über den Wolken bei einem Glas Champagner wohl auch menschlich etwas näher, was nicht nur neue Freundschaften, sondern auch weitere lukrative Geschäftsverbindungen befördern könnte.



[1] Saez, Emmanuel 2012: Striking it Richer: The Evolution of Top Incomes in the United States

(Updated with 2009 and 2010 estimates) http://elsa.berkeley.edu/~saez/saez-UStopincomes-2010.pdf

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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