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Hirsch mit Marken-Geweih

am
14. März 2012

Im Tierreich ist der Status des Einzelnen ganz klar geregelt. Der Hirsch im Rudel mit dem größten Geweih hat die besten Chancen bei den Hirschkühen. Man könnte sogar behaupten, dass die Größe des Hirschgeweihs über die Position innerhalb des Rudels entscheidet. Oder um es mit Darwin auszudrücken: Je besser die Durchsetzungsfähigkeit im Positionswettstreit, desto größer die Überlebenschancen. Ähnliches gilt auch für das menschliche Miteinander. Auch hier streitet man sich um Güter, von denen man sich eine Verbesserung des eigenen Status innerhalb eines sozialen Umfeldes erhofft.

In diesem Zusammenhang stieß ich vor kurzem auf eine Studie[1], bei der Wissenschaftler eine junge Assistentin auf die Straße schickten, um eine Umfrage durchzuführen. An einem Tag trug sie ein Sweatshirt mit dem deutlich sichtbaren Logo der Marke Tommy Hilfiger, am nächsten Tag hatte sie zwar das gleiche Bekleidungsstück an, aber dieses Mal ohne Markenzeichen. Während 52 Prozent der Befragten bereit waren, der jungen Dame für die Umfrage am ersten Tag Rede und Antwort zu stehen, sank dieser Anteil auf 13 Prozent, als dieselbe Assistentin ein Shirt ohne Designer-Logo trug.

Bei einem anderen Test beobachteten Probanden zwei Videos mit ein und demselben Mann, der sich in einem Bewerbungsgespräch befand. Einmal trug er ein Hemd mit Markenzeichen, einmal ohne Branding. Nicht nur, dass die Probanden anschließend mehrheitlich erklärten, sie hielten den Bewerber mit Markenzeichen geeigneter für den Job als denselben Menschen im No-Name-Hemd. Vielmehr zeigten sie sich auch bereit, dem erfolgreichen Bewerber einen höheren Lohn (durchschnittlich 9 Prozent mehr) als seinem „Konkurrenten“ zu bezahlen.

Die beiden Tests haben eines übereinstimmend gezeigt: Menschen nehmen Designer-Marken offenbar als Statussymbol, als Positionsgut, wahr. Nach dem Motto, solche Kleidungsstücke kann nur derjenige tragen, der sie sich leisten kann. Mit der Folge, dass der Träger von Positionsgütern nicht nur erfolgreicher erscheint, sondern auch automatisch mehr Geld und damit weitere Statussymbole erhält. Und weil eben viele Menschen irrtümlicherweise Statussymbole als repräsentativ für Leistung wahrnehmen, kann es durchaus immer wieder geschehen, dass ein Beta-Mensch lange Zeit für ein Alpha-Tier gehalten wird, nur weil er sich mit dessen Statussymbolen schmückt – eine Hochstapelei, die in der Tierwelt wahrscheinlich nicht möglich wäre.

Die Studie zeigte allerdings auch etwas anderes: Als nämlich in einer weiteren Versuchsvariante den Probanden erklärt wurde, dass das Statussymbol seinem Träger nicht zustand, weil letzterer sich vom Übungsleiter lediglich ein Markenshirt geborgt habe, reagierte das soziale Umfeld direkt und unmittelbar: Der Status wurde praktisch aberkannt. Wie im richtigen Leben, und das kann mitunter durchaus erbarmungslos sein, wie uns nicht zuletzt die Geschichte eines Bernie Madoff lehrt.



[1] Nelissen, Rob M. A., Meijers, Marijn H.C. Social benefits of luxury brands as costly signals of wealth and status, Evolution and Human Behavior, Vol 32, Issue 5, September 2011,

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4 Kommentare
  1. Antworten

    Johannes

    18. März 2012

    Interessant – wobei Statussymbole von verschiedenen Altersklassen und Berufsgruppen völlig unterschiedlich gewertet werden. Versuchen sie mal einem Bauern in Anzug und Krawatte was zu verkaufen. Das wird schwierig, weil dieser befürchtet, er wäre derjenige der ihnen mit diesem Geschäft einen neuen Anzug finanziert. Anzugträger sind nun mal Halsabschneider, ich muss es wissen, bin selber Bauer! *zwinker*

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      18. März 2012

      Hallo Johannes, in der Tat ein wichtiges Argument! Kommt auf den Anzug an, würde ich sagen. Markenanzug, klarer Fall – nichts für Sie. Dasselbe als Cordanzug ohne Marke? Da wären Sie vermutlich schon ein bißchen gnädiger 😉 denke ich. Positionsgüter werden natürlich in ihrem jeweiligen sozialen Kontext (etwa auch Berufsgruppen), also in einem Umfeld, wo man sich untereinander leicht vergleichen kann, besonders stark wahrgenommen.

  2. Antworten

    Johannes

    19. März 2012

    Cordanzug lassen wir mal durchgehen – hemdsärmelig wäre lieber! Ja ja der soziale Kontext: Sagt ein Bauarbeiter zum Chef er sei ein Idiot, darf dieser weiter mauern bis zur Berufsunfähigkeit… macht das Gleiche ein Bankangestellter dann befürchte ich das Ende der Zusammenarbeit.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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