Politik Wirtschaft

Mit Peanuts für mehr Steuergerechtigkeit

am
28. November 2012

Mit der Steuergerechtigkeit scheint man es in der Politik endlich ernst zu meinen. So ernst, dass das für 2013 geplante Steuerabkommen mit der Schweiz den Deutschen Bundesrat nicht passieren konnte, weil den Ländervertretern die neue Regelung nicht weit genug ging. Aber auch anderweitig bemüht man sich nach Kräften darum, die internationalen Steuerstandards so zu gestalten, dass sie den globalen Geschäftspraktiken gerecht werden. Denn multinationale Unternehmen wie Google, Starbucks oder Amazon sollen ihre Gewinne aus Großbritannien in Länder mit niedrigerer Besteuerung verschoben haben. So berichtet etwa die britische Zeitung The Telegraph (online-Ausgabe), der Unmut der Steuerbehörden in Frankreich sei so weit gegangen sei, dass sie etwa Amazon mit einer Steuer-Rückforderung von 252 Millionen Euro belegten. Auch in Großbritannien will man sich dieses Problems auf politischer Seite stärker annehmen, denn man befürchtet, ausländische Unternehmen könnten die heimische Konkurrenz wegen der niedrigen Steuersätze, in deren Genuss sie andernorts kommen, verdrängen.

Wenn man überdies den vorläufigen Ermittlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Glauben schenken möchte, hat sich die Lücke zwischen gesetzlich festgelegten Steuern und dem, was internationale Multis tatsächlich bezahlen, deutlich vergrößert. Und gerade angesichts der jüngsten massiven Sparprogramme in vielen Ländern Europas dürfte sich das Bestreben der Politik, Gesetzeslücken und Steuerschlupflöcher erfolgreich zu schließen, deutlich erhöhen. So wundert es auch nicht, dass man unter dem Eindruck der vielerorts herrschenden Geldnot bereit ist, auch international enger zusammenzuarbeiten – eine Zusammenarbeit, die man in den besseren Zeiten der EU längst nicht so stark forciert hatte. Ähnlich wie in den Finanzmärkten wird nach den Schuldigen immer erst gesucht, wenn Verluste entstanden sind bzw. der Druck groß genug geworden ist.

 

Beherzter Einsatz gegen Gewinnverschiebungen

Und so haben sich der britische Schatzkanzler George Osborne, die Finanzminister Frankreichs und Deutschlands, Wolfgang Schäuble und Pierre Moscovici, zusammengesetzt und einen gemeinsamen  Brief an die OECD geschrieben. Darin verpflichten sie sich, einen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, um „Gewinnverschiebungen“ zur Optimierung von Steuervorteilen endlich einen Riegel vorzuschieben und um sicherzustellen, dass große Gesellschaften ihrer gerechten Steuerpflicht unterworfen würden. Als ich aber im The Telegraph lesen musste, wie hoch das Commitment, der materielle Einsatz, der drei beteiligten Staaten zur internationalen Steuerbekämpfung angeblich sein soll, kamen mir beinahe die Tränen: Jeder der Unterzeichnerstaaten beabsichtigt großzügig seine Taschen zu öffnen und umgerchnet ca. 150.000 Euro (in Worten: einhundertfünfzigtausend) für dieses Projekt zur Verfügung zu stellen. Peanuts, wo es doch um Milliarden Euro geht! Ich will einmal annehmen, dass dieses Budget offenbar der Sparwut eines EU-Bürokraten zum Opfer gefallen sein muss, denn ansonsten müsste man ja den Verdacht haben, dass es den Politikern mit dem Wunsch nach mehr Steuergerechtigkeit doch nicht so ernst sein kann.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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