Märkte

Griechenland nur Nebenschauplatz

am
29. November 2012

Ich wundere mich immer wieder darüber, wie sehr man sich mit den Zahlen des jüngsten Griechenland-Deals mancherorts beschäftigt. Da wird philosophiert, wo denn der Schuldenstand Griechenlands im Jahre X sein soll oder was uns die ganze Rettung überhaupt kosten wird. Ein Kommentator schrieb sogar von einem Rund-um-sorglos-Paket, das morgen den Bundestag passieren soll, obwohl der ganz große Teil der Durchwinker dieses Programms vermutlich gar nicht weiß, worüber er konkret abstimmen wird. So gesehen, ist die Verschiebung der Abstimmung von heute auf morgen eher Spiegelfechterei.

Vielmehr besteht doch die Schlüsselbotschaft der jüngsten Griechenlandbeschlüsse nicht darin, unter welchen Bedingungen das Land seine Schuldenproblem gelöst bekommt, sondern dass das politische Commitment in der Eurozone, dieses Problem überhaupt lösen zu wollen, immer noch intakt ist. Mit den neuen Beschlüssen der vergangenen Woche, deren Zeitplan und Zielgrößen von einigen Kommentatoren zu Recht angezweifelt werden, wurde zumindest eine Hängepartie vermieden. Am Ende sollte für die Politiker und die Bürger hierzulande eigentlich nur die Erkenntnis bleiben, dass Deutschland für den Erhalt der Eurozone einen hohen Preis bezahlen muss und es letztlich nur darum geht, wie diese Kröte der Bevölkerung verkauft wird.

 

Salamitaktik

Offensichtlich hat man sich für eine scheibchenweise Vorgehensweise entschieden, an deren Ende die Eurozone um jeden Preis gerettet werden soll und vielleicht auch gerettet wird. Erfahrungsgemäß sind mit dieser Vorgehensweise Zeitverluste verbunden, die nicht nur zusätzlich Geld kosten, sondern das bestehende psychologische Commitment der Politiker weiter eskalieren lassen. Mit der Folge, dass eine Rettung den höchstmöglichen aller Preise kosten wird. Aber all die Zahlen, die ohnehin so schön abstrakt sind, können wir jetzt schon nicht mehr hören, geschweige denn bewerten, um wie viele Milliarden Euro es tatsächlich geht.

 

Investoren haben ‚fiskalische Klippe‘ bereits umschifft

Für die Aktien-Investoren mag das wieder aufgekeimte Momentum beim Prozess zur Lösung der Griechenland-Krise und die Einigkeit der Politiker ein Vertrauenssignal darstellen. Dennoch glaube ich nicht, dass die Griechenland-Problematik – genauso wenig wie die Diskussionen um einen politischen Kompromiss bei der so genannten fiskalische Klippe in den USA, wo der Countdown unerbittlich zu laufen scheint – die Optimisten im Aktienmarkt bei ihren Entscheidungen nachhaltig beeinflusst hat. Deren Beweggründe finden Sie in meinem Kommentar zu gestrigen Stimmungserhebung der Börse Frankfurt, während sich mein Kollege Gianni Hirschmüller mit der DAX-Detailanalyse (bitte den Reiter „Detailanalyse“ anklicken) befasst hat.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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