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12. November 2012

Was für eine Woche liegt hinter uns! Das Ganze begann für mich bereits am frühen Montagmorgen, als ich schlaftrunken aus dem Bett kommend bei Spiegel online (SpOn) las, dass auch unser Bundespräsident Joachim Gauck von den Bochumer Stadtwerken 25.000 Euro für seinen Auftritt bei einer Talkrunde erhalten haben soll. Doch eine Stunde später war diese Nachricht seltsamerweise auf der Titelseite von SpOn nicht mehr zu finden. Aber nach einigem Suchen im Internet wurde ich doch noch fündig und war beruhigt, als ich auf „Bild.de“ las, dass diese Talk-Runde bereits im Dezember 2010, also mehr als ein Jahr vor Gaucks Wahl Gaucks zum Bundespräsidenten, stattgefunden hatte. Und zu diesem Zeitpunkt hatte er kein öffentliches Amt inne. Wäre ja auch schlimm gewesen, wenn mit Joachim Gauck der zweite Bundespräsident hintereinander hätte zurücktreten müssen. Ganz zu schweigen von der Dissonanz, die bei der Öffentlichkeit ausgelöst worden wäre, wenn der allseits als integer und als moralische Leitfigur wahrgenommene Joachim Gauck zwar nichts Illegales, aber gemessen an seinem Ruf dennoch Unangemessenes getan haben könnte.

 

Der Meister kehrt zurück…

Aber das sollte noch nicht alles gewesen sein. „Florian Homm – ein Phantom kehrt zurück“: Diese Überschrift entdeckte ich drei Tage später in der FTD. Einer der skrupellosesten Finanzinvestoren Deutschlands, so las ich, seit fünf Jahren auf der Flucht vor den Behörden und Kopfgeldjägern, gab der FTD ein Interview. Er wolle nochmal von neuem anfangen, also sich von einer Hedge-Fond-Heuschrecke zum mildtätigen Menschenfreund wandeln. Ja, Sie haben richtig gelesen: Es handelt sich tatsächlich um den berüchtigten Homm, um jenen Herren mit der ewigen Zigarre im Mund, um den Vollstrecker der Bremer Vulkan-Werft, den Großinvestor bei Borussia Dortmund und Kulturattachée Liberias an der Botschaft in Paris. Ich selbst hatte einmal Gelegenheit, ihn persönlich bei einer Veranstaltung zu erleben. Zusammen mit vielen Zuhörern, von denen die meisten den Großmeister des Erfolgs mit glänzenden Augen und halboffenen Mündern anhimmelten. Das war natürlich, bevor Homm 2007 vor Behörden, Anlegern und ehemaligen Freunden aus der Finanzwelt die Flucht ergriff und verschwand.

 

…und scheint geläutert

Und jetzt ist er wieder da, geläutert wie ein amerikanischer Wrestling-Star, der vom brutalen hinterhältigen Bösewicht plötzlich zum Gutmenschen mutiert ist und die Klappstühle und Eisenstangen, mit denen er zuvor seine Gegner unerlaubterweise traktierte, gegen fromme Sprüche wie: „Iss Deine Vitamine und bete!“[1] eingetauscht hat. Homm allerdings sagt es lieber biblisch und spricht von sich als dem Saulus, der zum Paulus wurde. Eine solch wundersame Wendung lieben die Zuschauer, nicht nur bei Sportveranstaltungen. Auch die Redaktion der FAZ war offensichtlich gerührt und widmete dem Frischbekehrten fast eine ganze Seite, aber nicht im Vermischten, sondern in ihrem Wirtschaftsteil.

Sein Geld sei weg, räumt Homm ohne allzu großes Bedauern ein, von den angeblich einst 400 Millionen Dollar sei nicht mehr viel übrig. „Das ist doch alles hanebüchen, das nehme ich dem nicht ab. Und so jemandem gibt man auch noch eine mediale Plattform!“ konnte sich mein Freund K. am Telefon kaum beruhigen. „Der sitzt doch spätestens in vier Wochen bei Maischberger & Co., im schlimmsten Fall maskiert, aus Angst vor seinen vielen Feinden!“, japste er.

„Jetzt bist du aber ungerecht“, entgegnete ich und erzählte K. von Homms neuem sozialen Projekt namens „Maximum Impact Medicine“, das verspricht, für je einen Dollar jeweils ein Menschenleben zu retten. Wie großartig, warum bloß zahlt die Bundesrepublik so viel Entwicklungshilfe? Auch mein Hinweis, dass Homm, nach eigenen Angaben, mindestens zwei Mal in der Woche einen Kirchgang absolviere, weil er sich sonst nicht „wohlfühle“, konnte meinen Freund nicht überzeugen. Dann fiel mir schließlich noch der Bibelvers Markus 10,25 ein: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“  Doch K. schnaubte nur verächtlich. „Dann kann doch der Gauck sein Bochumer Honorar an Homms Stiftung spenden“, schlug ich zaghaft vor. Und da, endlich, schien mein Freund zufrieden.



[1] So der kategorische Imperativ der Wrestling-Legende Hulk Hogan

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1 Kommentar
  1. Antworten

    S.Dorsch

    17. November 2012

    Den Biblevers kannte ich noch nicht, muss ich mir merken. 😉
    Ein sehr erfrischender Artikel für diesen Wochenrückblick.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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