Märkte

Nachwehen

am
8. November 2012

Auch ich habe zu denjenigen gehört, die vom Ausmaß der gestrigen heftigen Korrektur an den Aktienmärkten überrascht gewesen waren. Auch wenn man mit solchen Reaktionen nach US-Wahltagen, so zeigen Beispiele aus der Vergangenheit, durchaus rechnen muss. Was mich eigentlich erstaunt, ist auch weniger der von manchem Kommentator als Weckruf bezeichnete Einbruch der Aktienkurse an der Wall Street. Vielmehr sind es die Begründungen dafür, die heute früh herumgereicht werden. Angefangen von der drohenden fiskalischen Klippe in den USA, bis hin zu Mario Draghis Rede, die zeitlich mit dem ersten Teil des gestrigen Kursrückgangs zusammenfiel. Aber dass die Schuldenkrise die deutsche Konjunktur beeinträchtigen würde und die Inflationsrisiken sehr niedrig seien, wie der EZB-Präsident betonte, sind doch eigentlich keine wirklichen Neuigkeiten. Genauso wenig wie eine in den USA zuletzt diskutierte Steuerreform, die neben Subventionskürzungen und dem Stopfen von Schlupflöchern vor allen Dingen eine deutliche Vereinfachung mit sich bringen soll. Selbst dass der neue Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama heißen würde, war für die meisten Akteure an den Finanzmärkten eine ausgemachte Sache. Oder doch nicht?

 

Defekte Abstimmungsmaschinen

Zumindest nicht aus Sicht mancher Republikaner, die offenbar selbst dann noch von einem Sieg Mitt Romneys ausgingen, als sich in der Wahlnacht die Zahl der für eine absolute Mehrheit Obamas erforderlichen Wahlmänner bei den Auszählungen der magischen 270-Stimmen Grenze näherte. Dies vermittelte mir zumindest ein Freund, der das Präsidentenrennen beim TV-Sender BBC live verfolgte. Ich möchte hier gar nicht darüber spekulieren, warum Republikaner selbst kurz bevor der Sieg Obamas feststand, seltsamerweise immer noch davon überzeugt waren, ihr Kandidat könne den Rückstand noch aufholen. Ohne dabei an defekte Abstimmungsmaschinen glauben zu wollen (vgl. 2012 Voting Machines Altering Votes auf Youtube), gab es womöglich dennoch sehr überzeugte Marktteilnehmer, die nicht nur ihren Glauben mit Engagements im Aktienmarkt unterlegten, sondern vom für sie unerwarteten Ergebnis der Wahl schockiert waren. So darf auch die gestrige deutliche Korrektur des Aktienmarkts nicht verwundern: Anscheinend war die Zahl der Hoffnungskäufe so hoch, dass deren Liquidation die Märkte stärker als vielerorts erwartet belastete.

Am Ende verlasse ich mich ohnehin lieber auf die gestern von der Börse Frankfurt erhobenen Stimmungsdaten unter den mittelfristig orientierten Akteuren, bei denen es interessante neue Erkenntnisse gab, die Gianni Hirschmüller hier kommentierte. Die detaillierte Analyse sowie die beliebtesten und unbeliebtesten Aktien der Fondsmanager für die kommenden Tage finden Sie hier.

Weiteres zu diesem Thema können  Sie  meinem heutigen DAF-Interview (hier) entnehmen, das Melanie Kösser mit mir führte. 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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