Dollar am Morgen

Mehr als ein „Non-Event“

am
17. Juni 2021

Nun hat sich die gestrige Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), was die Beschlusslage angeht, tatsächlich als das erwartete Non-Event erwiesen. Der Leitzins bleibt ebenso unverändert wie das Volumen der monatlichen Wertpapierkäufe von 120 Mrd. USD. Nicht unterschlagen möchte ich an dieser Stelle, dass der Zinssatz für Überschussreserven um 5 Basispunkte angehoben wurde. Zwar wurde im Statement erklärt, die Inflation sei gestiegen, aber die Fed bezeichnete diese Entwicklung nach wie vor als vorübergehend („transitory“). Aber dennoch hielt das Juni-Statement einige Überraschungen für die Finanzmarktteilnehmer bereit. Und zwar betraf das, wie zu befürchten war, die Prognosen der FOMC-Mitglieder.

 

Falken im Aufwind

Gerade weil die Akteure vielerorts keine geldpolitische Neuausrichtung der Notenbanker erwarteten, konzentrierte sich ihr Interesse vor allem auf die Zinsprognosen der FOMC-Mitglieder, die sogenannten Dot-Plots. Und dort wurde ersichtlich, dass die Fed-Vertreter nun mehrheitlich zwei Zinserhöhungen bis zum Ende des Jahres 2023 vorhersehen. Noch im März war die Median-Prognose davon ausgegangen, dass die Leitzinsen mindestens bis zum Jahr 2024 nahe Null bleiben würden. 13 FOMC-Vertreter (im März waren es noch sieben) prognostizierten zumindest einen Zinsschritt, elf gehen von zwei Zinsschritten aus.

Darüber hinaus hat sich die Zahl derer, die bereits im Jahr 2022 einen ersten Zinsschritt ins Auge fassen, von vier auf sieben Ausschussmitglieder erhöht. Auch wenn Fed-Vertreter immer wieder betonen, dass die Dot-Plots nicht deren geldpolitische Absichten widerspiegelten, ist dennoch kaum anzunehmen, dass die Marktteilnehmer diese Prognosen nicht ernst nehmen. Gegenüber der März-Sitzung muss man die jüngsten Vorhersagen aus dem FOMC sicherlich nicht als schockierend interpretieren, aber der Tenor ist durchaus falkenhafter als zuvor

 

Powell positiv zu Arbeitsmarkt

Folgerichtig stiegen auch die Inflationsprognosen. Demnach wird erwartet, dass die Kerninflation (gemessen am PCE) in diesem Jahr im Mittel auf 3 Prozent (März 2,2 Prozent) anzieht, bevor sie im kommenden Jahr wieder auf 2,1 Prozent (März 2,0 Prozent) zurück gehen dürfte, um im Jahr 2023 auf diesem Niveau zu verharren. Auch für das Wachstum prognostizieren die FOMC-Mitglieder im Mittel nunmehr einen stärkeren Zuwachs von 7 Prozent in diesem, 3,3 Prozent im kommenden und 2,4 Prozent im Jahr 2023 – im März betrugen diese Werte noch 6,5; 3,3 und 2,2 Prozent.

In der Pressekonferenz zeigte sich dann Fed-Chef Jerome Powell vor allem in Hinblick auf den Arbeitsmarkt sehr zuversichtlich. Diesen sieht er nämlich in den kommenden ein bis zwei Jahren in einer „sehr, sehr starken Verfassung“. Auch räumte er ein, dass die Inflation in den kommenden Monaten über den Erwartungen liegen werde, aber auch dass die Preise, die die Inflation antrieben, auf die starke Nachfrage nach von der Wiedereröffnung betroffenen Artikeln zurückzuführen sei. Allerdings machte Powell abermals deutlich, dass die sogenannten Dot-Plots mit großer Vorsicht zu genießen seien. Gut möglich, dass die Marktteilnehmer gemessen am Referenzpunkt „Non-Event“ auf die gestrigen Prognosen etwas überreagierten. Interessant in diesem Zusammenhang: Das Tapering-Thema ist angesichts der überraschenden Dot-Plots bei den Kommentatoren in den Hintergrund gedrängt worden.

Die Reaktion der Märkte war jedenfalls deutlich. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen touchierte vorübergehend beinahe die 1,6-Prozent-Marke, und der US-Dollar konnte sich im gleichen Zuge deutlich befestigen, so dass der ohnehin schon angeschlagene Euro weiter unter Druck geriet und unter 1,20 gedrückt wurde. An dieser ungünstigen Position für die Gemeinschaftswährung wird sich erst etwas ändern, wenn es gelingt, das Niveau von 1,2165/70 zurückzuerobern.

 

Hinweis

 Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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