Behavioral Living

Lebenslänglich Sport

am
25. Januar 2012

Als sich gestern in der Online-Ausgabe des Guardian lesen musste, dass mein geliebtes „Fitness First“ mit seinen Gläubigern in Verhandlungen getreten sei, kam ich ins Grübeln. Augenscheinlich hat die Fitness-Kette – eine der größten der Welt – Probleme, ihren hohen Zinszahlungen nachzukommen; die Nettoverbindlichkeiten hatten im Oktober 2010 bereits 612 Millionen englische Pfund betragen. Und prompt kam mir auch wieder mein alter Bekannter in den Sinn, der Mitte 2008 eine lebenslange Mitgliedschaft bei besagtem Sportstudio zum stolzen, aber durchaus attraktiven Preis von 4.000 € (weltweite Nutzung aller Fitness Firststudios eingeschlossen) erworben hatte. Bei einem Monatsbeitrag von ca. 70 € bis 80 € für treue Mitglieder, hätte er ohne Berücksichtigung von Zinsen nach etwa vier bis fünf Jahren seinen Break-Even erreicht – legt man einen Zinssatz von realistischen 7 Prozent p. a. zu Grunde, kann man noch etwa ein gutes Jahr dazu rechnen.

Ich hatte damals sicherlich gute Gründe gehabt, meinen Sportsfreund vor solch einem Engagement zu warnen, zumal auch ich ein ähnliches Angebot erhalten hatte, mich aber letztlich dagegen entschied. Immerhin befanden wir uns mitten in der Immobilienkrise und viele Menschen erfuhren zum ersten Male, dass es so etwas wie ein Kontrahenten-Risiko gibt. Und fast schon etwas ketzerisch begann ich damals darüber zu nachzudenken, ob das Sportstudio zum Zeitpunkt, an dem mein Bekannter seinen Break-Even erreichen würde, überhaupt noch existierte. Oder, wie mein Mitstreiter damals selbst zu bedenken gab, er überhaupt zu diesem Zeitpunkt noch am Leben sei.

Damals wie heute wurde mir allerdings sehr schnell klar, dass das Leben nicht aus binären Ereignissen besteht. Es gibt nicht nur Tod oder Leben, sondern viele Schattierungen dazwischen, Unfälle und schwere Verletzungen eingeschlossen. Genauso wenig mache ich mir Sorgen, ob Fitness First überlebt, oder Pleite geht. Vielmehr sollten wir uns auf das konzentrieren, was zwischen diesen Extrema liegen könnte. Alleine die Tatsache, dass mein geliebtes Sportstudio – auch wenn es seinen Zinszahlung nachkommen kann – erhebliche Einsparungen vornehmen muss, bereitet mir Kopfzerbrechen. Zumal in Zeiten drohender Rezession vor allem aus Faulheit „ruhende“ Mitgliedschaften in solchen Klubs als erstes gekündigt werden. Und weil sich eine lebenslange Mitgliedschaft nicht ein zweites Mal verkaufen lässt, kann ich mir lebhaft vorstellen, dass die Cost-Cutter als erstes am Service und den Personalkosten sparen werden. Möglicherweise wird dann, wie oft in solchen Fällen, etwas weniger geputzt und die Toilette etwas seltener gereinigt. Macht doch nichts, wo man den dadurch entstehenden Verlust an Gesundheit und Wohlbefinden doch durch zwei Stunden extra Training in der Woche wieder ausgleichen kann. Sehen Sie es positiv! Und das lebenslänglich!

 

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2 Kommentare
  1. Antworten

    Theo Salinger

    25. Januar 2012

    lebenslange Mitgliedschaft bei besagtem Sportstudio zum stolzen, aber durchaus attraktiven Preis von 4.000 €..

    Bei allem Respekt, aber was hat er sich dabei wohl gedacht?

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      25. Januar 2012

      Sie werden lachen: Auf Nachfragen habe ich damals erfahren, dass sich (vermutlich in Frankfurt) mehr als 100 Mitlgieder für lebenslänglich entschieden hatten.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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