Dollar am Morgen

Kurzzeitig über 1,20 USD

am
2. September 2020

EUR USD (1,1910)             Natürlich befindet sich der Dollar im Abwärtstrend. Aber gestern war es zumindest für kurze Zeit der Euro, der die Aufmerksamkeit der Kommentatoren auf sich zog. Und wenn es sich auch nur um die Tatsache handelte, dass zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren wieder das Niveau von 1,20 USD kurzzeitig überwunden werden konnte. Aber es gab eigentlich nur wenige Stimmen, die den Anstieg der Gemeinschaftswährung als ungerechtfertigt empfanden. Allenfalls die Börsianer machen sich hierzulande Sorge, dass der schwache Dollar den Exporteuren Kopfzerbrechen bereiten könnte. Aber wir haben schon Zeiten gesehen, in denen der Euro deutlich höher stand und Deutschland trotzdem Exportweltmeister wurde. Mit anderen Worten: Viele Marktteilnehmer scheinen in Sachen Euro nicht allzu schief zu liegen.

 

Überraschung kam aus der anderen Ecke

Erstaunlich ist dennoch, dass die Bekanntgabe der Fed am vergangenen Donnerstag, sie werde das Inflationsziel von 2 Prozent in Zukunft in Relation zu einer Berechnung von Durchschnittswerten definieren, so viel Aufsehen erregt hat. Denn diese Änderung hatten etliche Akteure an den Finanzmärkten erwartet.

Tatsächlich dürfte die Marktteilnehmer viel mehr überrascht haben, dass die US-Notenbank nunmehr geldpolitisch anders an den Arbeitsmarkt bzw. die Beschäftigung herangehen wird. Nämlich asymmetrisch. Man lässt die Beschäftigung – derzeit kann man davon natürlich nur träumen – im Zweifel heiß laufen, ohne die geldpolitischen Zügel wie früher in diesem Fall zu straffen. Es sei denn, es entstünden tatsächlich deutliche unerwünschte Inflationsgefahren.

 

Niedrige US-Zinsen für eine Ewigkeit

Und sollte die Beschäftigungssituation hinter dem angestrebten Maximum zurückbleiben, wird die Notenbank nach wie vor geldpolitisch (mit Lockerungen) dagegenhalten. Kurzum: In den USA wird es nun womöglich über Jahre dauern – so sieht es zumindest der Markt –, bis man wieder eine Erhöhung der Leitzinsen zu sehen bekommen wird. Im gleichen Zuge wird nicht nur der Dollar als Reservewährung weniger attraktiv, sondern von der Fed sind selbst auf mittlere Sicht kaum falkenhafte Anwandlungen zu erwarten.

Nun wird auf der anderen Seite die Europäische Zentralbank nur wenig gegen den steigenden Euro tun können. Im besten Fall mag es aus ihren Reihen Stimmen – wie gestern etwa die von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane – geben, die in Richtung einer Verbalintervention gehen. Mehr aber auch nicht. Indes: Die EZB wurde gestern zum ersten Mal seit vier Jahren wieder mit Deflation konfrontiert. Denn die vorläufigen Konsumentenpreise der Eurozone sind im August gegenüber dem Vorjahr um 0,2 Prozent gefallen. Ökonomen hatten indes im Mittel ein Plus von 0,2 Prozent erwartet. Mancher Kommentator erwartet bereits eine ernsthafte Herausforderung („Feuerprobe“) für die EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

 

Euro-Trend ist gesund

Nun hat der Euro gestern sein Potenzial an der Oberseite (1,2020/25) zunächst einmal so gut wie ausgeschöpft. Und weil es danach recht flott in die andere Richtung ging und der Dollar eine deutliche Erholung hinlegte, drängte sich natürlich der Verdacht auf, dass der erheblich besser als erwartet ausgefallene US-Einkaufsmanagerindex der Industrie in der Version des ISM für diese Reaktion verantwortlich war. Der Wert von 56,0 lag nicht nur über der Konsensschätzung, sondern am oberen Ende der Schätzung der Ökonomen. Allerdings war zu jenem Zeitpunkt gut die Hälfte der Korrektur bis zum europäischen Handelsschluss bereits abgewickelt. Vielmehr hat sich der Aufwärtstrend des Euro gestern bilderbuchmäßig entwickelt und wurde, ohne zu überhitzen, rechtzeitig korrigiert. Das Momentum bleibt jedoch unbeeinträchtigt, solange an der Unterseite 1,1855/60 nicht unterlaufen wird.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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