Künstliche gedrehte Goldilocks
Wenn man noch einmal das Statement der US-Notenbank sowie die Pressekonferenz mit Fed-Chef Jerome Powell von vorgestern Abend Revue passieren lässt, könnte man durchaus von einem intakten Goldilocks-Szenario sprechen. Denn die Fed geht von einem optimistisch stimmenden Wachstum, gepaart mit einer Inflation von 2 Prozent aus. Und sollte es dennoch mehr werden, würde die Notenbank dies ohnehin nur als ein vorübergehendes Phänomen betrachten. Auch hat es nicht den Anschein, dass irgendwelche Tapering-Diskussionen in den kommenden Wochen innerhalb des Offenmarktausschusses auch nur ansatzweise angestoßen werden. So gesehen hat die ganze Geschichte eher etwas von einem verordneten, fast schon künstlich anmutenden Goldilocks-Szenario.
Robustes US-Wachstum
Ein Indiz dafür kann man bereits während der vergangenen fünf Handelstage feststellen, an denen etwa die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen peu à peu nach oben schlich. Dabei ist es nicht klar, ob diese Entwicklung lediglich dem Monatsende geschuldet ist oder der Beginn eines Angriffs auf höhere Niveaus ist.
Nun wurde gestern die vorläufige Wachstumszahl für die USA mit einem BIP-Zuwachs von annualisiert 6,4 Prozent für das erste Quartal publiziert. Ein Wert, der zwar leicht unter der Konsenserwartung der Ökonomen lag, aber dennoch den Eindruck vermittelt, dass es dortzulande in Sachen Wachstum echte Fortschritte gegeben hat.
Positives weitgehend eingepreist
Ob dieses Wachstum allerdings nachhaltig sein wird, muss das zweite Quartal zeigen, für das vielerorts ein weiterer Wachstumsschub erwartet wird, ausgelöst durch die fortschreitende Impfung der Bevölkerung und die erwartete Wiedereröffnung des Dienstleistungs-Sektors vor dem Sommer. Genau genommen erwartet man während dieser Zeit den Wachstumshöhepunkt für das laufende Jahr. Aber auch wenn die Fed implizit signalisierte, dass sie nichts tun wird, was diesem Wachstum im Wege stehen könnte, sorgen sich vor allen Dingen die Börsianer bereits heute darum, wie es danach weitergehen wird. Mit anderen Worten: Positive Wirtschaftsdaten sind weitgehend eingepreist.
Nun tat sich der Euro gegenüber dem US-Dollar gestern schwer, auch angesichts der stagnierenden Risikofreude an den Aktienmärkten und der gestiegenen Anleiherenditen in den USA, seinen kurzfristigen Aufwärtstrend in Richtung 1,2195 mit Schwung fortzusetzen. In diesem Zusammenhang bleibt der Euro allerdings nunmehr nur noch oberhalb von 1,2045/50 (gegenüber dem Vortag deutlich angehoben!) stabil – darunter droht ein deutlicher Momentumsverlust.
Hinweise
Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.
Wegen des Maifeiertages erscheint die nächste Ausgabe meines täglichen Kommentars erst am Dienstag, den 4. Mai