Dollar am Morgen Märkte

Keine ungeteilte Zustimmung zu geplanter US-Zinssenkung

am
12. Juli 2019

EUR USD (1,1270)             Genau genommen sind weder der Euro noch der Dollar derzeit nachhaltig aus ihrem Gleichgewicht zu bringen. Und das liegt nicht nur an den Nachrichten, die die Devisenhändler zu verarbeiten haben. Tatsächlich befand sich der Wechselkurs des Euro zum Greenback gestern zum Handelsschluss in Europa ziemlich genau auf dem Niveau, das unser mittelfristiges Berechnungsmodell, das auf Erkenntnissen der Behavioral Finance basiert, als den als fair wahrgenommenen Wert ermittelt hat. Mit anderen Worten: Es gibt zumindest mittelfristig keine größeren Schieflagen. Dafür spricht auch, dass der Dollar gegenüber einem Korb an Währungen, gemessen am Dollar-Index, in diesem Jahr bereits mehrere Male seine 200-Tage-Linie überquert und dabei jeweils Fehlsignale ausgelöst hat. Auch wenn wir der Aussagekraft dieser gleitenden Durchschnittslinien für künftige Kursverläufe im Gegensatz zu vielen Kommentatoren und Fondsmanagern keinerlei Bedeutung beimessen, bedeutet diese häufige Aneinanderreihung von vielen Signalen nichts anderes, als dass der Dollar in den vergangenen Monaten keinen direktionalen Trend entwickelt hat. Nicht aber, dass es so bleiben muss.

 

EZB-Sitzungsprotokoll ohne Wert

Und so wundert es auch nicht, dass das gestern publizierte Protokoll der EZB zur vergangenen Sitzung am 6. Juni keine marktbewegenden Statements beinhaltete. Eher eine Formsache also. Insofern bedeutete es auch keine Überraschung, dass der EZB-Rat sich darin einig war, dass man sich auf eine geldpolitische Lockerung vorbereiten müsse. Dazu gehöre auch der entsprechende Maßnahmenkatalog, der eine Wiederaufnahme der quantitativen Lockerungen und Zinssenkungen beinhalte. Indes: Um dem, was beim EZB-Statement der vergangenen Sitzung noch relativ undeutlich umrissen war, klarere Konturen und Deutlichkeit zu verleihen, sah sich EZB-Präsident Mario Draghi bei seiner Rede im portugiesischen Sintra (18. Juni) zu mehr Klarheit genötigt. Bekanntlich wies er dort explizit darauf hin, dass die EZB angesichts düsterer Wirtschaftsaussichten zu einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik bereit sei. Eine Ankündigung, die von anderen Ratsmitgliedern in der Folge bis heute ebenfalls mehr oder weniger deutlich kommuniziert wurde.

 

Ökonomische Prognosen und Daten beeindrucken nicht

Dass die Wirtschaftsaussichten für die Eurozone düster sind, zeigte die gestrige Stellungnahme des IWF, die sowohl eine kraftlose Inflation als auch ein schleppendes Wachstum für das laufende Jahr von jeweils 1,3 Prozent vorsieht. Nicht ohne auf die steigenden Risiken für die Wirtschaft der Eurozone hinzuweisen: Ganz besonders Spannungen, die sich aus Handelskonflikten ergeben könnten, sowie der Brexit und die Verschuldungsproblematik Italiens. Aber solche Prognosen verunsichern die Akteure längst nicht mehr.

Aus den USA gab es gestern immerhin Zahlen zur Entwicklung der Konsumentenpreise im Monat Juni. Der Konsumentenpreisindex entsprach mit einem Plus von 1,6 Prozent (ggü. Vorjahr) den Erwartungen der Ökonomen, während die Kernrate mit +2,1 Prozent nicht nur etwas höher als im Vormonat, sondern auch leicht über den Erwartungen der Marktteilnehmer lag. Allerdings ist das von der US-Notenbank bevorzugte Inflationsmaß nach wie vor der Index der privaten Konsumausgaben.

Dessen ungeachtet hat sich auch am zweiten Tag der Anhörung von Fed-Chef Jerome Powell vor dem Kongress, dieses Mal vor dem Bankenausschuss des Senats, naturgemäß nichts Spannendes ergeben: Alles andere als eine Zinssenkung von 25 Basispunkten Ende Juli wäre nun für den Markt eine extreme Überraschung. Allerdings scheint es im Offenmarktausschuss der Fed (FOMC) keine uneingeschränkte Zustimmung zu einer Zinssenkung zu geben. Aber die beiden Bedenkenträger, die Chefs der regionalen Ableger der Fed, Raphael Bostic (Atlanta) und Thomas Barkin (Richmond), die sich gestern dazu äußerten, sind in diesem Jahr nicht stimmberechtigt.

Der Euro aber rangiert unterdessen nach wie vor im Niemandsland, da eine Stabilisierung erst jenseits von 1,1330 möglich und die Unterseite noch bis 1,1155 geöffnet ist.

 

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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