Dollar am Morgen Märkte

Rezessionsängste für 25 Basispunkte vom Tisch

am
15. Juli 2019

EUR USD (1,1270)             Es ist gerade einmal eine Woche her, da lag die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen noch 19 Basispunkte unter derjenigen dreimonatiger T-Bills. Ein negativer bzw. „invertierter“ Spread, der von den Marktteilnehmern deswegen so starke Beachtung findet, weil sein Erscheinen in den vergangenen 50 Jahren jedes Mal den Vorboten einer Rezession dargestellt hat. Und genau dieser negative Spread hat sich am vergangenen Freitag bis auf null erholt und hatte zeitweise sogar ein positives Vorzeichen, bevor die Woche mit kleinen einem Minus von 1,6 Basispunkten beendet wurde. Mit anderen Worten: Die Rezessionsängste, die mit einer invertierten Zinsstrukturkurve einhergehen, sind innerhalb einer Woche so gut wie vom Tisch gefegt worden. Und das wegen einer möglichen Zinssenkung von 25 Basispunkten.

 

Wer die Zinsstrukturkurve schafft

Jetzt ist es nicht so, dass diese Differenz zwischen zehnjährigen und dreimonatigen Renditen – auch wenn es manchmal den Anschein haben mag – irgendwie von Geisterhand gelenkt als vorlaufender Indikator mit Prognosekraft entsteht. Vielmehr stellt dieser Spread das Resultat von Angebot und Nachfrage dar, geschaffen durch die Marktteilnehmer. Und die daraus resultierenden Preise reflektieren (teilweise) deren Erwartungen und Meinungen. Dass letztlich aus einer invertierten Zinsstrukturkurve mit einer Verzögerung von 6 bis 24 Monaten in den USA in der Vergangenheit jeweils eine Rezession entstanden ist bedeutet letztlich nichts anderes, als dass die Akteure mit ihren Prognosen jedes Mal richtig gelegen sind. Eine Erkenntnis, die allerdings leider nicht „ex ante“ vorhanden war, sondern im vergangenen Jahr das Resultat einer „ex post“ Studie der regionalen Fed von San Francisco (HIER) war.

Der Grund für die jüngste Entwicklung dieses viel beachteten Spread liegt auf der Hand: Die Anhörungen von Fed-Chef Jerome Powell vor Ausschüssen des US-Kongresses, in denen dieser durchblicken ließ, dass der ökonomische Ausblick mit so vielen Unwägbarkeiten gespickt sei, dass die Finanzmärkte bei der kommenden Fed-Sitzung am 31. Juli/31 Juli eine Zinssenkung von mindestens 25 Basispunkten, mancherorts auch 50 Basispunkte, erwarten.

 

„Uncertainties“

Während die US-Aktienmärkte abermals jubilierten und mit neuen Rekordhochs aufwarteten, scheinen sich die Stimmen derjenigen zu mehren, die die wahrscheinlich geldpolitische taubenhafte Wende der Notenbank als Kapitulation vor US-Präsident Donald Trump bewerten. Denn es ist seltsam, wenn Jerome Powell einerseits in seiner Anhörung darauf bestand, dass der Wachstumsausblick der Notenbank solide und der Arbeitsmarkt stark bliebe, während die Inflation mit der Zeit das 2-Prozent-Ziel erreichen werde. Andererseits aber darauf hinweist, dass sich das globale Wachstum abschwächen könnte. Ummantelt mit dem Begriff „uncertainties“, Unwägbarkeiten, die naturgemäß schwer fassbar und somit kleiner oder größer sein können.

Natürlich ist es die Aufgabe der Fed, die heimische Wirtschaft vor ungünstigen externen Wachstumseinflüssen zu schützen. Einflüsse, die sich nach Meinung von Kommentatoren wiederum auf die volatile, wenn nicht schlechte Handelspolitik des US-Präsidenten zurückführen lassen. Senkt die Fed demzufolge die Zinsen, macht sie nicht nur Donald Trumps Fehler wett, sondern trägt, möglicherweise ungewollt, zu seiner Wiederwahl im Jahr 2020 bei. Andererseits würde sich das Risiko einer Spekulationsblase am Aktienmarkt deutlich erhöhen, sollten sich die Wachstumssorgen der Fed als unbegründet herausstellen. Denn dann hätte man eine gut laufende Wirtschaft auch noch unnötig angeheizt.

Mit all diesen Betrachtungsweisen konnten die Devisenhändler in der abgelaufenen Handelswoche allerdings nicht allzu viel anfangen. Die Erwartung einer Zinssenkung zum Ende des Monats schlug sich in einer Euro-Erholung von per Saldo nicht einmal 50 Stellen im Wochenvergleich nieder. Tatsächlich reichte es nicht für eine Stabilisierung der Gemeinschaftswährung, die jenseits von 1,1330 gegeben wäre. Unterdessen bleibt die Unterseite bis 1,1150 geöffnet.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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