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Jenseits von Gut und Böse: Die Luxemburger Lüge

am
11. Mai 2011

Jetzt hat mich der Satz von Jean-Claude Juncker „Es gibt kein Treffen in Luxemburg. Das sind Gerüchte ohne Substanz.“ doch noch ins Grübeln gebracht. Nicht nur, weil am vergangenen Freitag dann trotzdem die wichtigsten Finanzminister zusammengekommen sind. Sondern weil sich die Blogosphäre zutiefst darüber empört zeigt, dass der Chef der Euro-Gruppe oder zumindest sein Sprecher Guy Schuller gelogen haben muss, als er auf Nachfragen von Nachrichtenagenturen kategorisch ausschloss, dass ein solches Treffen stattfinden würde. Statt sich jedoch demütig zu zeigen, rechtfertigte Juncker unverfroren sein Verhalten, indem er sich auf höhere Werte berief. Es war übrigens nicht das erste Mal, dass der Politiker einräumte, man müsse manchmal lügen, um nicht irgendwelchen Gerüchten Nahrung zu geben [i].

Abseits aller moralischen Debatten, die dieses Vorkommnis aufwirft,  muss man sich schon fragen, welche Schlüsse aus diesem Schauspiel zu ziehen sind. Denn jeder weiß, dass Griechenland derzeit in massiven finanziellen Schwierigkeiten steckt, so dass es eigentlich das Normalste der Welt sein müsste, wenn sich, wie in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder geschehen, einige europäische Finanzminister treffen, um über mögliche Lösungen für diese Problem zu diskutieren. Warum also lügen?

Natürlich könnten sich die Minister darauf verständigt haben, alle Treffen, die mit Griechenland zu tun haben, geheimzuhalten  – selbst zum Preis einer gelegentlichen Lüge. Dann wäre Junckers Täuschungsmanöver eine Banalität. Allerdings würde dies auch bedeuten, dass alle Informationen, die wir bislang von den EU-Finanzministern bezüglich der wirklichen Lage Griechenlands erhalten haben, ebenfalls nicht als vertrauenswürdig eingestuft werden dürfen.

Sollte es sich hingegen um die erste Lüge in dieser Angelegenheit gehandelt haben, muss etwas Außergewöhnliches geschehen sein, um einen derartigen Strategiewechsel zu rechtfertigen. In beiden Fällen aber müssen wir uns Sorgen machen. Sorgen, die man nicht einfach mit einem ministerialen Achselzucken vom Tisch fegen kann.


[i] Vgl. Nachrichtenagentur dpad in der deutschen Ausgabe TheEpochTimes online vom 9. Mai 2011, wonach Juncker etwa kurz vor Ostern in Brüssel äußerte: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“
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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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