Höhere Erfolgsquote?
Die Frage, „Warum Deutschland eine Quote braucht“ (So der Titel des „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 31. Januar), wird meist als Forderung nach einer späten Gerechtigkeit diskutiert. Inzwischen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings den Daumen gesenkt und die Debatte für sich abgehakt. Anders ihre Arbeitsministerin, Ursula von der Leyen, die die Quote weiterhin befürwortet. In derselben „Spiegel“-Ausgabe wird sie in einem Interview gefragt, auf welche Weise denn die Wirtschaft von den Frauen profitieren könne. Eine Frau sei nicht besser als die Männer, sondern anders, so die Antwort der CDU-Politikerin. Auf der anderen Seite steige das Risiko von Fehlentscheidungen, je homogener eine Gruppe sei. Und 97 % Männerquote in den Top-Gremien sein nun einmal „sehr homogen“, findet Frau von der Leyen. Ohne jetzt darüber urteilen zu wollen, ob allein die Zugehörigkeit zum selben Geschlecht Menschen einander schon sehr ähnlich macht, finde ich dennoch, dass die Ministerin hier einen wichtigen Punkt macht.
Denn tatsächlich kennen wir den Teamgeist, die Leistung und Leitung verschworener Kleingruppen aus den Finanzmärkten. Etwa in Gestalt von Anlageausschüssen oder Strategie- und Händlergruppen. Sie alle haben sich ursprünglich zusammengefunden oder wurden geschaffen, um sich gemeinsam besser für eine ungewisse Zukunft zu wappnen. Und dabei hat man versucht, möglichst homogene Teams zu schaffen, weil man glaubte, mit einer Gruppe von Gleichgesinnten weiter zu kommen als mit einer bunt zusammengewürfelten Schar von selbstbezogenen Solisten, prächtigen Paradiesvögeln und unbändigen Einzelkämpfern. Und sollte die Chemie dennoch einmal nicht mehr stimmen, führt im schlimmsten Fall ein kurzfristig engagierter Motivationstrainer die Gruppe an die Kletterwand oder auf himmelhohe Holzbalken im Outdoor-Parcours. Hier muss man sich gegenseitig sichern gegen den Absturz, hier lernt man zu vertrauen, sich fallen zu lassen und von den anderen aufgefangen zu werden. Und diese Erfahrung schweißt zusammen, vor allem gegen mögliche Kritiker. Trotzig klingt jetzt das Motto: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“ Der Gleichklang von Einstellung und Gesinnung, das was etwa in Parteien den so genannten „Stallgeruch“ ausmacht, erhöht noch einmal das Vertrauen in die gemeinsam getroffenen Entscheidungen. Was aber, wenn externer Druck dazukommt, sich etwa plötzlich Misserfolge einstellen? Dann wächst die Gefahr, dass das Team dem so genannten „Groupthink“ verfällt. Ein Phänomen, das sich nach Meinung des Sozialpsychologen Irving R. Janis beim Club der guten, alten Buddies, also einer Gemeinschaft mit großem Zusammenhalt, besonders deutlich beobachten lässt.
Gerade in den Finanzmärkten, aber auch in politischen Gremien, kann Groupthink zu kostspieligen Ergebnissen führen. Weil die Mitglieder dieser Gruppen irgendwann glauben, dass sie sich ohnehin im Besitz der Wahrheit befinden, und sich daher nicht mehr ausreichend informieren. Und wenn doch, dann nur, um Bestätigung für die eigene Position zu suchen. Mit der Folge, dass die Risiken eigener Entscheidungen unterschätzt, Beharren und Aussitzen begünstigt und Kritiker mundtot gemacht werden. Eine Serie schnell aufeinanderfolgender, kleinerer Erfolge beschleunigt diesen Prozess noch.
Ich würde mich zwar freuen, wenn Frau von der Leyen mit ihren Ausführungen auf das Groupthink-Problem angespielt haben sollte. Sie hätte damit zumindest theoretisch ein weiteres Argument für die Quote auf ihrer Seite. Nicht nur weil Frauen möglicherweise die Welt anders als Männer wahrnehmen. Oder weil sie mit externem Druck und Stress anders als ihre männlichen Pendants umgehen. In der Praxis dürfte es aber schwierig werden. Sicherlich: Das Klima in den Gremien könnte sich verändern, wenn mehr Frauen mit am Konferenztisch sitzen, hoffentlich wird dort in Zukunft auch lebhafter und kontroverser diskutiert – eine Grundvoraussetzung übrigens dafür, das gefürchtete „Gruppendenk“ zu verringern.
Doch wenn man den Unternehmen die Frauenquote aufzwingt, werden sie dieser Pflicht nachkommen, indem sie vorzugsweise „homogene“ Frauen auswählen. Solche, die in die Männerrunde passen. Weil sie jenseits aller Geschlechtergrenzen eine gemeinsame corporate identity mit ihren Kollegen eint. Die Entscheidungen fielen dann wohl kaum anders aus als bisher, sie wären auch nicht unbedingt besser, nur weil jetzt ein gemischtes Team am Werke ist. Und Groupthink würde dadurch nicht vermieden. Der kleine Unterschied ist eben doch nicht so groß.