Dollar am Morgen

Gong zur Runde 8

am
8. September 2020

EUR USD (1,1805)             Normalerweise ist ein US-Feiertag wie der gestrige Labor Day eine gute Voraussetzung für einen ruhigen Devisenhandel. Aber die Händler schienen die Rechnung ohne das britische Pfund gemacht zu haben, das sich gestern zeitweise gegenüber dem Euro um rund ein Prozent abgeschwächt hatte – so viel wie zuletzt am 13. Juli.

Ursächlich dafür waren die schwindenden Hoffnungen auf eine Einigung bei den Verhandlungen zu einem Post-Brexit-Abkommen zwischen Großbritannien und der EU, die heute in die vielerorts als entscheidend bezeichnete Phase gehen sollen; es ist die Runde 8 der Handelsgespräche. Und es scheint, als ob die britische Seite diese Runde mit anderen Bandagen bestreiten will.

 

Neue Taktik

Der Financial Times zufolge plant die britische Regierung nämlich ein neues Gesetz, das am morgigen Mittwoch publiziert werden soll. In dieser sogenannten „Internal Market Bill“ sollen dem Vernehmen nach wichtige Teile des Brexit-Abkommens mit der EU in Frage gestellt werden. Ein Abkommen, das Premierminister Boris Johnson noch im Oktober 2019 nach schier endlosen und zähen Verhandlungen unterzeichnet hatte. Insbesondere das im Januar dieses Jahres ratifizierte sog. Nordirland-Protokoll, in dem es unter anderem um Zollfragen und Staatshilfen geht, soll gemäß einer der mit der Angelegenheit vertrauten Quelle offenbar verwässert werden.

 

…und ein Ultimatum

Mehr noch hatte der britische Premier der EU gestern ein Ultimatum gesetzt: Sollte bis zum 15. Oktober keine Übereinkunft über ein Anschlussabkommen im Rahmen des Brexit erreicht worden sein, droht Johnson praktisch mit dem Abbruch der Verhandlungen und einem harten Brexit. Kurzum: Selbst Optimisten, die immer wieder auf eine Einigung in letzter Minute bei den zuletzt ins Stocken geratenen Verhandlungen gesetzt hatten, halten nun einen Brexit ohne Deal für wahrscheinlicher.

 

Euro-Long-Positionen etwas niedriger

Während das britische Pfund zum Euro, um im Bild zu bleiben, gestern einen Niederschlag hinnehmen musste, blieb das Handelsgeschehen des Euro im Verhältnis zum Dollar mit einer Bandbreite von knapp 40 Stellen vergleichsweise überschaubar – so ruhig war es zuletzt am 3. Juli, dem vorgezogenen US-Unabhängigkeitstag, gewesen. Dennoch scheint sich die die bislang große Mehrheit derjenigen Analysten, die von einer fortgesetzten Dollar-Abschwächung bzw. einer deutlichen Fortsetzung des Euro-Aufwärtstrends ausgehen, etwas zu verringern. Natürlich gibt es immer noch große Euro-Long-Positionen, die sich allerdings zuletzt nicht mehr vergrößert haben.

Nicht mehr ganz so euphorisch

Dafür sprechen auch die CFTC-Positionsmeldungen der spekulativen Devisen-Engagements an der Chicagoer Futures-Börse vom vergangenen Freitag. Dort hatten sich nämlich die rekordhohen Euro-Long-Positionen von zuletzt 212 Tsd. auf immer noch stattliche 197 Tsd. Kontrakte verringert. Auch wenn diese Daten bekanntermaßen für den Gesamtmarkt nicht repräsentativ sein mögen und außerdem bereits eine Woche alt sind, vermitteln sie zumindest ein Bild der derzeitigen Marktstimmung. Dass sich die Europhorie etwas abgekühlt haben mag, kann aber auch daran liegen, dass viele Händler sich mittlerweile an das Narrativ, Europa schlage sich derzeit besser als die USA, vor allem, was die Corona-Krise angehe, gewöhnt haben dürften.

Und so bleibt der Euro gegenüber dem Dollar nach wie vor im Korrekturmodus mit dem Risiko eines Rücksetzers in Richtung 1,1745/50 bzw. 1,1690. Die Vorzeichen für die Fortsetzung des Aufwärtstrends dürften sich übrigens jenseits von 1,1925/30 vermehren.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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